Prof. Sam Gindin, Autor von «The Making of Global Capitalism (2012)»: Krisen – nicht regelmäßige Abschwünge, sondern große Krisen – sind durch die Unsicherheit gekennzeichnet, die sie mit sich bringen. Sie unterbrechen das Normale und erfordern noch zu entdeckende anormale Reaktionen, um überhaupt weitermachen zu können. Krisen sind folglich Momente des Aufruhrs mit Öffnungen für neue politische Entwicklungen, gute und schlechte.
Da jede solche Krise den Verlauf der Geschichte verändert, tritt die nachfolgende Krise in einem veränderten Kontext auf und hat somit ihre eigenen Besonderheiten. Die Krise der 70er Jahre zum Beispiel brachte eine militante Arbeiterklasse, eine Herausforderung für den amerikanischen Dollar und eine Erhöhung der Bedeutung des Finanzbereichs und der Globalisierung mit sich. Die Krise der Jahre 2008-09 hingegen betraf eine weitgehend besiegte Arbeiterklasse, bestätigte die zentrale globale Rolle des Dollars und brachte neue Wege für die Verwaltung einer in einzigartiger Weise finanzabhängigen Wirtschaft.
Die Krise ist diesmal in einer besonders krassen Weise einzigartig. In früheren kapitalistischen Krisen griff der Staat ein, um zu versuchen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Diesmal liegt der unmittelbare Fokus der Staaten nicht auf der Frage, wie die Wirtschaft wieder angekurbelt werden kann. Dies ist offensichtlich so, weil die Wirtschaft nicht durch wirtschaftliche Faktoren oder Auseinandersetzung von unten in die Knie gezwungen wurde, sondern durch einen mysteriösen Virus. Seinen Einfluss auf uns zu beenden, hat oberste Priorität. Mit der Einführung der Sprache der "sozialen Distanzierung" und der "Selbstquarantäne" zur Bewältigung der Notlage haben die Regierungen die sozialen Interaktionen ausgesetzt, die einen guten Teil der Welt der Arbeit und des Konsums, der Welt der Wirtschaft, ausmachen.