Du sagst, was du magst, weil deine Bosse mögen, was du sagst.
Michael Parenti, Historiker, zu Mainstream-Journalisten
Liebe Leserinnen und Leser
Die Medien spielen in unserer Gesellschaft eine zentrale Rolle. Sie sind in der Lage, die öffentliche Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken und die öffentliche Meinung massgeblich zu beeinflussen. Idealerweise sollten sie neutral, objektiv und ausgewogen berichten. Das tut der Mainstream der Medien nicht.
Wer trägt die Verantwortung dafür? Die Grossaktionäre/Besitzer? Die Werbekunden? Die Chefredakteure? Die Journalisten? Oder gar die Konsumenten der Medien selbst? Die Sache ist Komplex. Ich würde sagen, vor allem die ersten zwei. Doch das Problem ist systemisch.
Ich erinnere zum Beispiel an Noam Chomskys und Edward S. Hermans Propagandamodell der fünf Filter. Beschrieben haben sie dieses in ihrem Buch «Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media» (1988). Die Digitalisierung und das Internet haben die Ausgangslage zwar verändert, doch im Grossen und Ganzen treffen sie noch zu:
- Besitztum
Massenmedienunternehmen sind profitorientierte Konzerne, die oft Teile von noch grösseren Konglomeraten sind. Kritischer Journalismus muss hinter den Bedürfnissen und Interessen der Konzerne zurückstehen. - Werbung
Medien kosten viel mehr als die Konsumenten jemals bezahlen werden. Die Werbekunden füllen die Lücke. Und sie bezahlen für das Publikum. Die Medienkonzerne verkaufen somit auch den Werbekunden ein Produkt. Das ist die wahre Rolle der Werbung. - Quellen
Journalisten sind von Quellen abhängig. Regierungen, Konzerne und grosse Institutionen wissen, wie die Narrative beeinflusst werden können. Sie füttern die Medien mit Knüllern, offiziellen Berichten und Interviews mit «Experten». Sie machen sich selbst ausschlaggebend für den Prozess des Journalismus. Das System selbst ermutigt zur Komplizenschaft zwischen dem Establishment und denjenigen, die über sie berichten. - Kritik
Wenn Medien – Journalisten, Whistleblower, Quellen – sich vom Konsens entfernen und die Macht herausfordern, geht es rasch einmal ans Eingemachte. Quellen werden diskreditiert, Berichte vernichtet und es wird vom Thema ablenkt. - Feindbild
Um Zustimmung zu erzeugen, braucht man einen gemeinsamen Feind. Zum Beispiel Kommunisten, Terroristen, Immigranten. Ein Feindbild, das man fürchtet, hilft, die öffentliche Meinung einzugrenzen.
Auch ein angebliches Virus eignet sich hervorragend als gemeinsamer Feind.
Interessent sind auch die vier Phasen, die ein Journalist in seiner Karriere durchläuft. Der Historiker Michael Parenti machte in diesem Vortrag von 1993 (ab Min. 15:40) auf sie aufmerksam - aufgestellt wurden sie von Nicholas Johnson, dem ehemaligen Beauftragten der US-Bundeskommunikationskommission FCC.
- Phase 1: Du bist ein junger Kämpfer und schreibst einen Enthüllungsbericht über die Mächtigen, bringst ihn zum Redaktor, und der sagt: «Nein, lass es. Das können wir nicht anfassen. Zu heiss.»
- Phase 2: Du hast eine Idee für einen Bericht, doch Du schreibst ihn nicht und fragst erst den Redaktor. Der sagt: «Nein, das geht nicht. Ich glaube, das würde dem Alten nicht gefallen. Mach das nicht, er hat viele Freunde da drin und das könnte unschön werden.»
- Phase 3: Du hast eine Idee für eine Geschichte und Du selbst lehnst sie als albern ab.
- Phase 4: Du hast nicht mehr die Idee für diese Art von Enthüllungsberichten.
Parenti fügt noch Phase 5 hinzu: Der einst subversive Redaktor tritt dann mit einem Medienkritiker wie Parenti auf einem Podium auf. Dieser weist den gouvernemantalen Journalisten auf die einseitige Berichterstattung in den Medien hin und meint, dass die Medien nicht so frei und unabhängig sind, wie er denkt. Die Reaktion des Journalisten: Wut und Empörung machen sich breit.
Wenn solche Journalisten sagen würden, dass sie schreiben könnten, was sie möchten, antworte Parenti jeweils: «Du sagst, was du magst, weil sie mögen, was du sagst.»
Ich denke, dass wir in einer Zwickmühle sitzen: Um die Medien zu verändern, müssten die Machtstrukturen verändert werden, die dahinterstehen. Doch um diese Machtstrukturen verändern zu können, sind die Medien unabdingbar.
Es bleibt uns deshalb nichts anderes übrig, als alternative und unabhängige Medien auszubauen. Auch um guten und mutigen Mainstream-Journalisten die Möglichkeit zu geben, das Lager zu wechseln.
Herzlich
Konstantin Demeter
Dazu unbedingt lesen: Michael Parenti, Inventing Reality – The Politics of News Media, 1986
Auch die anderen etwa 25 Bücher von Michael Parenti sind zu empfehlen. Insbesondere erwähnenswert:
Make-Believe Media: The Politics of Entertainment, 1991
History as Mystery, 1999
Democracy for the Few, 1976
To Kill a Nation: The Attack on Yugoslavia, 2001
The Assassination of Julius Caesar: A People’s History of Ancient Rome, 2003
God and His Demons, 2010
Against Empire, 1995
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