Der Mensch kann sehen, worauf es ankommt, sich besinnen, die Umkehr vollziehen und handeln. Tut er es nicht, so ist, was geschieht, nicht blindes Verhängnis, sondern seine Schuld.
Karl Jaspers
Liebe Leserinnen und Leser
Ja, es gibt Anlass zur Hoffnung. Nicht etwa wegen Omikron oder Opikron oder den anderen fadenscheinigen Argumenten der Regierungsmarionetten und Pseudoexperten. Sondern dank Ihnen, dank dem Mut und der Standhaftigkeit von jedem von uns. Dank der konstruktiven und gesunden Kräfte, die in der Zivilgesellschaft trotz allem nach wie vor wirken.
Nicht jeder, der in den letzten zwei Jahren geschwiegen hat, hat geschlafen. Manche haben geschlummert. Manche haben abgewartet, nachgedacht, sich vorbereitet, Kräfte gebündelt, sich gründlich überlegt, wann, wie und wo sie mit ihren Mitteln und in ihrer Stellung am besten auf diese unheimlichen Entwicklungen reagieren können.
So mancher hat sicherlich bemerkt, dass etwas schief läuft – es aber vorgezogen, zuerst zu beobachten, ruhig zu bleiben, und wohl auch gehofft, dass die Krise sich von selbst auflösen würde. Es ist nicht jedermanns Sache, gleich von Anfang an mit dem Kopf durch die Corona-Wand gehen. Nicht jeder, der die Pandemie-Politik hinterfragt, mag sich Schikanierung, Diskriminierung, Diffamierung, Polizeigewalt und Strassenschlachten aussetzen.
Aber es gibt sie in grosser Zahl, die hochaktiven Kritiker im Hintergrund. Für immer mehr von ihnen ist das Mass voll, ist die Zeit gekommen, öffentlich Widerstand zu leisten. Viele von ihnen sind Unternehmer, Akademiker, Millionäre, Top-Ausgebildete – also durchaus auch Leute in Machtpositionen, nicht zuletzt in regierungsnahen Institutionen.
Viele von ihnen wollten möglichst lange unter dem Radar bleiben, ganz einfach nicht ihre Karriere aufs Spiel setzen. Aber irgendwann wird auch für sie das offizielle Narrativ zu unlogisch, die Corona-Politik zu gefährlich, der Leidensdruck zu gross, der Preis des Mitläufertums zu hoch.
Diese Menschen neigen aufgrund ihres Habitus eher nicht dazu, auf Plätze zu gehen, um sich von Regierungsschergen in Uniform verkloppen zu lassen. Sie wägen lieber ab, handeln strategisch und besonnen.
Dass nun auch der eine oder andere Wendehals in Politik oder Wirtschaft es für opportun halten wird, «seine Meinung zu ändern», gehört zum Gang der Geschichte. Aber im grossen Ganzen setze ich sehr viel Hoffnung auf diese Bevölkerungsgruppe. Nach zwei Jahren konnten wir nicht zuletzt auch unsere Sinne dafür schärfen, wer Rückgrat hat und glaubwürdig ist.
Hoffnungsvoll stimmt mich auch die Energie, die Hartnäckigkeit, die ungebrochene Zuversicht der einfachen Bürgerinnen und Bürger, die rausgehen, um unmissverständlich zu signalisieren: Wir sind nicht einverstanden. Selbstverständlich gibt es eine Wechselwirkung zwischen den Strassenprotesten und dem unaufgeregten Engagement der ruhigen Kritiker.
Als das Wuhan-Virus 2020 über die Schweiz herfiel, versuchte eine Drosten-Jüngerin, mich zu beschwichtigen und mir meine haarsträubenden Befürchtungen auszureden: «Wenn das ganze wirklich ein Betrug sein sollte, dann werden die Wissenschaftler das auch aufdecken und den Politikern mitteilen – dann erledigt sich das Ganze von selbst.»
Na, viel Spass, entgegnete ich, wenn dann niemand da ist, der diese Wissenschaftler und Politiker unterstützt! Da wird es nicht viele geben, die sich das antun wollen. Es braucht den deutlichen, sicht- und spürbaren Rückhalt der Bevölkerung, damit auch die Menschen in kritischen Positionen den Mut aufbringen, gegen den Corona-Strom zu schwimmen. Und wenn genügend Menschen in die andere Richtung schwimmen, könnte sich das Blatt ja plötzlich wenden.
Und wer nicht schwimmen kann, soll rollen – so wie die verwegenen Kanadier mit ihren imposanten Langnasen-Trucks. Was für eine Augenweide! Wann rollen die camionistas nach Rom, die camionneurs nach Paris? Ab wann besetzen die Brummer Berlin? Wieso stehen sie noch nicht in Wien?
Herzliche Grüsse
Christian S. Rodriguez
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Hinweise
Buchtipp: Geschichten aus der Welt der Grenzen

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In Zeiten von Corona hat man die Grenzen jederzeit vor Augen, die natürlichen, vor allem aber die künstlichen. Das erfährt etwa der Protagonist in der Erzählung «Der Zaun», für den es eines Morgens keinen Ausweg mehr gibt, während Liz in «Die Krone» den Ausweg von allem Anfang an sucht und durch das Bewahren ihrer Unbefangenheit auch findet. Neun Geschichten, die von einer veränderten Welt erzählen.
Volker Mohr: «Unter Menschen» - Novellen. Loco-Verlag, 2021. 133 Seiten, geb., Fr. 24.- / Euro 19.50. ISBN 978 3 9524174 8 5