Was immer du voll und ganz akzeptierst, führt dich zum Frieden,
selbst wenn du zulässt, dass du nicht akzeptieren kannst und Widerstand leistest.
Eckhart Tolle
Liebe Leserinnen und Leser
Ist es möglich, politisch empört zu sein und trotzdem spirituelle Selbstpflege zu betreiben? Oder sind Politik und Spiritualität geistig unvereinbare Gegensätze? Diese Frage beschäftigt mich ungefähr mein halbes Leben lang.
Ich lehnte immer diese billige Auffassung von Spiritualität ab, für die ganz selbstverständlich und auf wundersame Weise immer schon von vornherein «alles gut» ist – oder, genauso wundersam und selbstverständlich, alles «gut wird».
Diese aufgesetzte, unpolitische Schönwetter-Mentalität, der es vor allem darum geht, sich wohlzufühlen, die sich mit netten Kalenderweisheiten alle menschgemachten Missstände schönredet und jegliches Grauen in der Gesellschaft relativiert. Die stets mit dem eigenen Bauchnabel im Mittelpunkt des Sonnenscheins «unterwegs» ist.
Egal, was um uns herum zerstört und vernichtet wird, es kommt gut, du musst nur fest daran glauben. Und ansonsten nicht viel unternehmen, ausser vielleicht ab und zu ein teures Seminar zur Selbsterfahrung oder Potentialentfaltung besuchen, wo auch «alles gut» ist, weil man dort zumeist unter saturierten Gleichgesinnten hockt und über den mehr oder weniger gleichen egozentrischen Luxusproblemen brütet.
Während draussen auf Hochtouren an der Vernichtung von Lebensglück und Lebenssinn überhaupt gearbeitet wird.
Hörbücher über Spiritualität bei Amazon bestellen und sich daran wohlhören. Während Leute wie Bezos sich immer noch mehr vom Planeten aufkaufen, um ihm tüchtig den «Spirit» auszutreiben. Auch hier: Man verkaufe die Krankheit und die Kur. Das Win-Win-Tagesgeschäft des Spätkapitalismus in seinem ultimativ zynischen Endstadium: Die Entstehungsbedingungen für Geist auszumerzen und wiederum am spirituellen Mangelzustand der Menschen zu verdienen. Die Katastrophe als Goldgrube.
Da führt aufgesetzter Zwangsoptimismus wohl kaum zum Heil: Wer sich nicht gelegentlich so richtig empört oder traurig wird angesichts des tagtäglichen Schreckens, der immer penentranter wütet, ist mir grundsätzlich suspekt. Wie soll das mit der Empathie für die Menschheit zusammengehen? Gleichzeitig weiss ich, dass blinder Aktivismus und ständige Erregbarkeit ebenso ungesund sind.
Letztlich stellt sich wohl die Frage nach der richtigen Balance zwischen Aktion und Meditation. Zwischen Ruhe und Handeln, Loslassen und Widerstand.
Glücklich können sich diejenigen schätzen, die schon Übung darin besitzen, ihren Geist zu beherrschen, ihre Gedanken zu zähmen, ihre Gefühle zu besänftigen. Den sogenannten Seelenfrieden zu kultivieren, «in der Mitte zu bleiben». Wenn es für uns Menschen der Überflussgesellschaft einen Moment gab, wo es lebensnotwendig war, diese innere Ruhe zu finden, dann jetzt.
Gleichzeitig war es wohl noch nie so wichtig, wie heute, aufzustehen und sich zu wehren. Wenn wir nichts machen, dann wird mit uns gemacht. Eine naive, passive Masse ist das grösste Geschenk für unsere globalistischen Geiselnehmer. Das willkommene Fressen für die fetten Aasgeier, die gerade frohlockend den noch zuckenden Leichnam des alten Systems ausweiden.
Ein Leuchtturm unter den gegenwärtig Aktivsten ist für mich Professor Sucharit Bhakdi. Seine Mutter führte ihn im Alter von 13 Jahren in die Meditation ein. Im Stricker-Interview erzählt er, wie es ihm seelisch in dieser stressgeladenen Zeit ergeht.
Auch für Bhakdi ist nicht einfach «alles gut». Aber er bleibt seinen buddhistischen Grundsätzen treu und verrät uns, was wir dringend vermeiden müssen, um unser Seelenleben zu schützen: «Gier». «Irrglaube». Und, was mich am meisten berührt: «Missmut in allen Formen!»
Herzliche Grüsse
Christian S. Rodriguez
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