Wir messen eine Kultur
nicht an ihrem Output an unverhohlenen Trivialitäten,
sondern an dem, was sie als bedeutend bezeichnet.
Neil Postman
Liebe Leserinnen und Leser
Mich beschäftigt der Profi- und Passivsport. Nein, ich bin kein Fan. Im Gegenteil, ich finde das Sportspektakel schädlich für die Gesellschaft. Wenn ich das sage, ernte ich meistens Unverständnis. Das Sportspektakel ist in unsere Gesellschaft integriert.
Die Römer prägten den Ausspruch «panem et circenses», Brot und Spiele. Das sei nötig, um das Volk in Bann zu halten. Was die Spiele anbelangt, reichten im Römischen Reich pro Jahr je etwa 15 Vorführungen im Kolosseum und im Circus Maximus. In der späten Republik wurden es dann immer mehr. Heute kann man permanent mit Sport und anderen Spektakeln berieselt werden.
Ich sehe mir auch manchmal ein gutes Fussballspiel oder ein Skirennen an. Doch meistens entziehe ich mich bewusst diesem Wahnsinn. In jungen Jahren war ich ein vielversprechender Tennisspieler. Glücklicherweise überwogen in der Pubertät andere, weniger triviale Interessen. Auch wenn ich deswegen Millionen auf dem Konto hätte: Ich würde ungern am Ende des Lebens sagen müssen, dass ich es damit verbracht habe, mich mit Bällen, die über ein Netz fliegen, zu befassen. Denn nach der aktiven Karriere bleiben Profisportler meistens in der Branche, zum Beispiel als Trainer oder Kommentatoren.
Als die Briten die Ureinwohner von Australien Wettkämpfe austragen lassen wollten, fragten letztere nach dem Sinn. Es würden doch alle verlieren ausser einer. Damit hatten sie eines der Kernprobleme des Wettkampfsports erkannt: Er verkörpert die Quintessenz einer individualistischen und kapitalistischen Gesellschaft. Der Stärkere gewinnt. Keine Frage, etwas Wettbewerb spornt an. Doch wenn er chronisch und zwanghaft ist, schadet er eher.
Unpolitisch und vereinend soll Spitzensport sein. Doch er ist nationalistisch und trennend. Regelmässig werden grosse Anlässe wie die Olympischen Spiele politisch missbraucht. Und Fans gegnerischer Mannschaften schlagen sich die Köpfe ein. Die Eliten lachen sich kaputt und erfreuen sich an der Dummheit.
Manchen erscheint der Spitzensport enorm wichtig. Doch wie wichtig ist es für unser Leben und für die Gesellschaft, ob jemand ein paar Hundertstelsekunden schneller oder langsamer auf Brettern den Berg runtersaust? Oder ob zehn Jungs einen Ball einmal mehr in ein Netz schiessen als die Jungs der anderen Mannschaft? Ist es nicht ein Zeichen einer dekadenten und infantilen Gesellschaft, dass sich ein Land nur noch vereint fühlt, wenn die eigene Nationalmannschaft gewinnt? Bei der nächsten Niederlage kommt der Kater und man ist wieder gespalten.
Spitzensport erhält durch die Medien seine Wichtigkeit. Ein Ausserirdischer fände es absurd, wenn er sehen würde, dass auf der Erde die Sportresultate in der Tagesschau bekanntgegeben werden. Er müsste zwangsläufig denken, dass diese Resultate an politische Entscheidungen gekoppelt sind. Was der Ausserirdische nicht weiss: Der Sinn ist eben Ablenkung und Ruhigstellung, was schon die alten Römer erkannten.
Trotzdem geschieht im Spitzensport auch Gutes. Die Schweizer Fussball-Nati hat 1:0 gewonnen. Gegen das BAG. Dieses wollte die Nationalelf für eine Impfkampagne einspannen, doch Ende August erteilte ihm der Fussballverband eine Absage. Der grösste Sieg der Nati.
Herzlich
Konstantin Demeter
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Hinweis
Homo Pandemicus quo vadis? Filosofia in Piazza
2. Oktober 2021
Kundgebung in Locarno, Piazza Grande
Treffpunkt: 14:00 la Rotonda, Locarno
Beginn Umzug: 14:30
Beginn Reden (Piazza Grande): 15:00
Redner:
- Ilaria Bifarini: Journalistin und Autorin, Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und Master in diplomatischen Beziehungen.
- Ben Bieri: Unternehmer, diplomierter Tourismusfachmann, Master in Business Administration.
- Werner Nussbaumer: Arzt, Ökologe, Politiker.
- Sergio Morandi: Ökonom
- Carlo Ammann: Freidenker
- Konstantin Demeter: Journalist
... und weitere Überraschungsredner.
Für Stimmung werden die Helvetia Trychler sorgen!

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