Die Freiheit ist das einzige Gut, das sich nur abnutzt, wenn man es nicht nutzt.
Voltaire
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Der Kalte Krieg ist in vollem Gang. Und ein Mann hält in Zürich eine Rede. «In jeder Stadt und in jedem Dorf wird heute Abend unsere Schweiz gelobt, in jedem Hotel klopft einer an sein Glas und steht auf, während die Kinder und vielleicht auch die Erwachsenen lieber ihr Glace fertiglöffeln würden, wenn wir uns vorstellen: Schweiz und Freiheit und nochmals Freiheit und Schweiz, dann lockt es mich, die Freiheit nicht zu loben, sondern von unserer gelobten Freiheit etwas Gebrauch zu machen.»
Der Redner war kein Geringerer als der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. In der Ansprache, die er am 1. August 1957 im Zürcher Industriequartier zum Anlass des Nationalfeiertages hielt, ging der Künstler auf die Kluft zwischen der verklärten und der realen Schweiz ein.
Warum mache ich darauf aufmerksam? Die Thematik ist auch 2022 noch aktuell – ja, könnte kaum aktueller sein. Denn: Es nützt nichts, ein romantisiertes Bild einer souveränen, demokratischen und freiheitlichen Schweiz zu zeichnen, wenn die Realität eine andere ist.
Das mussten wir gerade in den letzten zweieinhalb Jahren bitter lernen. «Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren», wusste schon Benjamin Franklin. Der Satz hat leider nichts von seiner Gültigkeit eingebüsst. Im Gegenteil.
Doch zurück zu Max Frisch. Warum erwähne ich den renommierten Schriftsteller? Frisch zeigt exemplarisch, wie wichtig Kritiker sind. Kritik an der Regierung wird in den heutigen Zeiten rasch als etwas «Antidemokratisches» und «Gefährliches» abgetan. Nichts könnte falscher sein. Eine Gesellschaft braucht zwingend Kritiker – für das Immunsystem der Demokratie sind sie unerlässlich.
Prädestiniert dazu wären eigentlich Literaten und Künstler – doch von ihnen ist heute leider nur noch wenig zu sehen, darüber gleich mehr. Frisch machte seiner Berufsgattung noch alle Ehre. Post mortem wird er auch in der Schweiz von allen gefeiert – weltbekannt ist er für seine Bücher wie «Stiller», «Homo faber» und weitere.
Doch Frisch war nicht nur ein grossartiger Geschichtenerzähler, sondern auch ein hochpolitischer Mensch. Er kritisierte stets die Herrschenden – sowohl im Osten als auch im Westen. Ideologien waren ihm fremd. Für seine Kritik wurde er von vielen gehasst. Die Politische Polizei (Geheimdienst) der Schweiz überwachte ihn über Jahre.
Heute blickt man in der Schweiz mit einer gewissen Nostalgie auf Schriftsteller wie Max Frisch oder auch Friedrich Dürrenmatt zurück. Heutige Autoren wie zum Beispiel Lukas Bärfuss, der gerne mit Frisch verglichen wird, zeichnen sich dadurch aus, immer mit dem «Zeitgeist» zu gehen. Ob Corona oder Ukraine: Stets kaut Bärfuss überwiegend die herrschende Meinung nach.
Die Corona-Massnahmen der Schweizer Regierung waren für ihn zu wenig streng, die Sanktionen gegen Russland gehen ihm zu wenig weit. Von radikaler Kritik kann keine Rede sein. Das ist im besten Fall «Alibi-Kritik». Und die Freiheit? Für Bärfuss belanglos, so scheint es. Er macht von seiner Freiheit Gebrauch, um die Freiheit der Bürger noch mehr zu beschneiden.
Gewiss. Auch bei Frisch kann man vieles kritisieren. Die Rockefeller Foundation, die eng mit dem US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA verbunden war, finanzierte ihn zu Beginn der 1950er-Jahre. Die Stiftung ermöglichte Frisch 1951 einen USA-Aufenthalt. In dieser Zeit entstanden die ersten Entwürfe von «Stiller».
Die CIA sah in den Büchern Frischs eine literarische Inspiration gegen den Sowjet-Kommunismus. Entsprechend versuchte die CIA Frisch – genauso wie unzählige weitere westliche Künstler – für politische Zwecke zu missbrauchen. Das gelang ihnen jedoch nie wirklich.
Heutige Schriftsteller wie Bärfuss und viele weitere sind vermutlich nicht sehr interessant für die CIA respektive die US-Administration. Bärfuss’ Ansichten zum Krieg in der Ukraine gehen – etwas überspitzt gesagt – überwiegend konform mit der Sicht des Pentagons.
Eine Haltung, die Frisch während des Kalten Kriegs fremd war. Er kritisierte sowohl Washington als auch Moskau gleichermassen – und nicht zuletzt auch immer die Schweizer Regierung. Über diese sagte er nach dem Auffliegen des Fichenskandals 1989: «Ich bekenne, dass ich dieser Regierung kein Vertrauen mehr schenke.»
Für mich ist klar: Frisch versinnbildlicht, was es heisst, ein Demokrat zu sein: Nämlich der Regierung und den Mächtigen stets kritisch auf die Finger zu schauen. Frisch tat dies aus Liebe zur Demokratie, aus Liebe zu seinem Land.
Ich denke, heute ist die Gelegenheit, dies in Erinnerung zu rufen – am Nationalfeiertag der Schweiz! An Frisch können wir uns alle ein Vorbild nehmen. Denn: Wohin es führt, wenn im Namen der Gesundheit und Sicherheit Freiheiten aufgegeben werden, sehen wir gerade. Das Credo der Stunde muss heissen: «Machen wir Gebrauch von unserer Freiheit!»
Herzlich
Rafael Lutz
[email protected]
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