Feindbilder sind sicher nicht die Ursache für einen Krieg;
sie erleichtern aber das Marschieren.
Max Frisch
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Wir leben in Zeiten des Umbruchs; Zeiten, die geprägt sind von Unsicherheiten und Zukunftsängsten. Da ist es auch kein Wunder, dass in der Schweiz inzwischen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung die Ansicht vertritt, die Politiker hierzulande würden «zu wenig im Interesse des Volkes» politisieren. Dies zumindest ist das Resultat einer Philip-Morris-Studie.
Viele Politiker sehen die breite Masse der Bevölkerung nicht als den Souverän, den sie zu vertreten hätten. Im Gegenteil: Die Entfremdung zwischen Politelite und Volk hat in den letzten beiden Jahren einen neuen Höhepunkt erreicht. Von blossen Berührungsängsten kann nicht mehr die Rede sein; immer mehr Politiker bekunden offen, dass ihnen die Bevölkerung Angst macht. In der Schweiz fürchtet Pierre-Yves Maillard, Präsident des Gewerkschaftsbundes, soziale und politische Unruhen.
In Deutschland ist die Lage noch deutlich angespannter: Brandenburgs Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller warnt vor einem «deutschen Wutwinter». «Extremisten» könnten die Proteste gegen steigende Energiepreise instrumentalisieren. Ähnlich tönt es in Thüringen. Dort zeigt sich Innenminister Georg Maier angesichts der steigenden Energiepreise und der Inflation äusserst beunruhigt. Es braue sich etwas zusammen, «was mich mit Sorge erfüllt», sagte Maier. Er befürchtet, dass «vor allem extremistische Kräfte auf die Strasse mobilisieren».
Die Lage scheint die Behörden und staatlichen Stellen in Alarmbereitschaft zu setzen. In der Schweiz bereitet man sich gegenwärtig schon einmal auf den Ernstfall vor, wie die Wochenzeitung (WOZ) jüngst informierte. Diese Woche findet die Übung «Fides 22» statt. Der Name ist Programm: In der römischen Mythologie verkörperte die Göttin Fides das personifizierte Vertrauen. Das Vertrauen der staatlichen Stellen in die Bevölkerung oder umgekehrt scheint inzwischen mehr und mehr zu erodieren.
Konkret üben die kantonale Berner Sicherheitsdirektion, das Verteidigungsdepartement (VBS), Kantonspolizei und Armee diese Woche «für den Krisenfall». Eigentlich hätte die Übung schon 2021 stattfinden sollen. Wegen der «Pandemie» war sie aber verschoben worden.
Ziel der Übung: Die Armee – resp. die sogenannte Territorialdivision I – soll «wichtige und für das Funktionieren des öffentlichen Lebens kritische Infrastrukturen» schützen, «konkret und detailliert» und «teilweise im Massstab 1 : 1». Dazu gehören unter anderem Verteilzentren für Lebensmittel, Tunnels, Brücken oder Viadukte, Rechenzentren der Energieversorgung und Regierungsgebäude. Denkbar sei zudem der «Schutz wichtiger Transporte» und von Botschaften.
In Bern hat eine linke Gruppe namens «No Fides» zuletzt dazu aufgerufen, die Übung zu sabotieren. Ein Verhalten, das Philippe Müller (FDP), Berner Sicherheitsdirektor und Regierungsrat, als «völlig kontraproduktiv» bezeichnete. Bemerkenswert im Zusammenhang mit der Übung «Fides 22» ist die sie begleitende Intransparenz. Über das konkrete Szenario hüllen sich die Beteiligten in Schweigen.
Bekannt ist nur, dass es sich um eine «länger andauernde Terrorbedrohung» handle. Genaueres geben die Behörden nicht preis. Philippe Müller übt sich gegenüber der WOZ im Schweigen.
Wir erinnern uns: Seit diesem Juni ist in der Schweiz das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) in Kraft. Am 13. Juni 2021 hat das Schweizer Stimmvolk dem Gesetz zugestimmt, das die Polizei mit weitreichenden Kompetenzen ausstattet. Polizei und Geheimdienste können mittlerweile ohne richterlichen Beschluss Zwangsmassnahmen gegen potenzielle Terroristen beschliessen.
Der ehemalige Tessiner Staatsanwalt Paolo Bernasconi hat das Gesetz schon 2021 aufs schärfste kritisiert, weil es rechtstaatliche Prinzipien ausser Kraft setze und die «vierte Macht» im Staat, Polizei und Geheimdienste, auf Kosten der Legislative und Judikative stärke.
Doch zurück zu «Fides 22». Solche Übungen finden nicht zum Spass statt. Umso wichtiger ist es, dass wir – Bürger und Demokraten – in den kommenden Monaten immer friedlich bleiben. Denn klar ist: Es gibt Kreise innerhalb der Machteliten, die daran arbeiten, Bürger gegeneinander aufzuhetzen und friedliche Demonstranten und Demokraten als gefährliche Extremisten und womöglich sogar als Terroristen zu brandmarken.
Die aufgeladene Rhetorik seitens der Politik sollte uns hier ein Frühwarnsystem sein. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht die gleichen Fehler machen. Denn Scharfmacher gibt es leider auch innerhalb der Bürgerrechtsbewegung. Lassen wir uns nicht aufhetzen. Zeigen wir uns souverän – als der Souverän.
Herzliche Grüsse
Rafael Lutz
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