Das Ende der Sowjetunion, das die bipolare Welt beendete,
läutete eine Ära der amerikanischen Hegemonie ein.
Hegemonie sollte jedoch nicht mit Allmacht verwechselt werden.
Hegemonie ist nicht Allmacht, aber auf jeden Fall Vorherrschaft.
Zbigniew Brzezinski
Liebe Leserinnen und Leser
Sie trafen sich zwar am letzten Wochenendende in Singapur, doch bilaterale Gespräche gab es keine. Einzig beim Abendessen am ersten Tag sprachen sie kurz miteinander. Gemeint sind der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und dessen chinesischer Amtskollege Li Shangfu beim diesjährigen Shangri-La-Dialog (SLD).
Wikipedia bezeichnet diesen als die «wichtigste Sicherheitskonferenz in der Region Asien-Pazifik». Organisiert wird das jährliche Treffen vom einflussreichen Thinktank International Institute for Strategic Studies (IISS).
Statt eines Dialogs gab es gegenseitige öffentliche Anschuldigungen. Dabei ging es auch um einen Beinahe-Zusammenstoss von Kriegsschiffen der beiden Länder in der Strasse von Taiwan am Samstag. Den USA zufolge hat sich das chinesische Schiff «unsicher» verhalten und «»gegen die maritimen ‹Verkehrsregeln› der sicheren Durchfahrt in internationalen Gewässern verstossen».
Der chinesische Verteidigungsminister beschuldigte hingegen die USA der Provokation. Die US-Marinepräsenz in der Meerenge sei ein Beispiel dafür, dass Washington in der Region Chaos stifte. Li sagte, wenn die USA und andere ausländische Mächte keine Konfrontation wollten, sollten sie ihre militärischen Mittel nicht in die Nähe Chinas schicken und sich stattdessen um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. In seiner ersten grossen Rede seit seinem Amtsantritt im März dieses Jahres erklärte Li, ein Krieg mit den USA wäre eine «unerträgliche Katastrophe» für die Welt.
Ob es an diesen Treffen indes tatsächlich um Sicherheit geht, lässt sich durch einen Blick auf die Geldgeber des IISS erörtern. So sind die spendabelsten unter ihnen fast ausschliesslich Rüstungskonzerne, darunter Lockheed Martin, BAE Systems, Raytheon, Rolls-Royce, Boeing und Airbus. Mit von der Partie sind beispielsweise auch die britische Armee, das Verteidigungsministerium von Singapur und das Center for Strategic Studies der katarischen Streitkräfte.
Und Rüstungsunternehmen sind nun mal nicht an Sicherheit und Frieden interessiert: Richtig Reibach machen sie, wenn Krieg oder zumindest eine Bedrohung herrscht. Es ist mit dem militärisch-industriellen Komplex, vor dem bekanntlich schon Eisenhower warnte, wie mit dem pharmazeutisch-medizinischen Komplex, der zusammenbrechen würde, wären wir alle gesund.
Brisant: Unter den Spendern des IISS findet sich auch der US-amerikanische Pharmakonzern Emergent BioSolutions, der in den vergangenen Jahren regelmässig durch Korruption und Betrugsfälle auffiel (wir berichteten). Als die Firma noch Bioport hiess, produzierte sie ausserdem einen Impfstoff gegen Anthrax (Milzbrand) und lieferte ihn nach den sehr gelegen gekommenen Anthrax-Anschlägen im Jahr 2001 an US-amerikanische Agenturen für biochemische Abwehr.
Emergent BioSolutions ist auch jene Firma, die während der «Pandemie» sowohl die Johnson&Johnson- als auch die AstraZeneca-Geninjektionen produzierte. Dabei mussten 75 Millionen Impfdosen aufgrund von Verunreinigungen und weiteren Produktionsmängeln vernichtet werden. Das Pharmaunternehmen hat übrigens auch eine Filiale in der Schweiz, in Thörishaus.
Doch zurück zum Konflikt zwischen China und den USA: Uwe Parpart, Herausgeber der Online-Tageszeitung Asia Times, ehemaliger Asien-Stratege bei der Bank of America in Hongkong sowie Offizier in der deutschen Marine, verglich in der Weltwoche die Wichtigkeit des Südchinesischen und des Ostchinesischen Meeres für China mit derjenigen des Mittelmeers für die Römer. Nicht umsonst nannten sie dieses «Mare nostrum» – «unser Meer».
Parpart erklärt, dass über diese beiden chinesischen Meere und die Seidenstrasse der lebenswichtige Handel des Reichs der Mitte abgewickelt wurde. Die «Grosse Mauer», die errichtet worden war, um das Land vor den «Barbaren» aus dem Norden zu schützen, hätte wenig geholfen, als die «Barbaren» vom Süden her übers Meer kamen. Damit meint er die Briten und deren Opiumkriege, durch die sie sich Hongkong schnappten und China bald von weiteren westlichen Nationen gezwungen wurde, «Dutzende von Niederlassungen sowie Pacht- und Kolonialbesitzungen abzutreten», darunter das Gebiet Kiautschou an der Ostküste an die Deutschen.
Dann waren da noch die Japaner, die Taiwan 1895 zu ihrer Kolonie machten und von 1937 bis 1945 als eine wichtige Absprungsbasis für ihren Angriffskrieg gegen China benutzten. 3,2 Millionen chinesische Soldaten und 17,5 Millionen Zivilisten hätten durch den Krieg und die brutale Behandlung der Zivilbevölkerung ihr Leben verloren. Parpart ergänzt:
«Diese Fakten, insbesondere Chinas ‹Schande› zum Ende der Qing-Dynastie (1644–1912) und die Fortsetzung der Erniedrigung im Zeitalter der Republik (1912–1949), sind in Europa lange vergessen und im geschichtsunbewussten Amerika kaum jemals in Betracht gezogen worden. In Xi Jinpings China kennt sie jedes Schulkind. Angesichts der aktuellen Ereignisse ist es wichtig, dass man diese Hintergründe kennt. Im Rahmen der von Präsident Xi Jinping 2012 verkündeten ‹Grossen Renaissance der chinesischen Nation› baut China eine Grosse Mauer im Südchinesischen Meer – um zu erhalten und auszubauen, was unter der Führung von Deng Xiaoping (1979–1997) begann und das Land in vier Jahrzehnten zur grössten Handelsmacht der Welt und zur zweitgrössten Wirtschaftsnation gemacht hat.»
Der neuralgische Punkt im Konflikt zwischen den USA und China ist Parpart zufolge Taiwan. Es werde um die Republik allerdings nur Krieg geben, «wenn er von jemandem in Washington provoziert wird», schreibt er und erinnert dabei an die «Thukydides-Falle». Der vom US-amerikanische Professor Graham Allison geprägte Begriff bezeichnet eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Krieg, wenn eine Grossmacht auf regionaler oder internationaler Ebene von einer aufstrebenden Macht bedroht wird. Und genau damit hätten wir es in der Auseinandersetzung zwischen China und dem Hegemon USA zu tun, meint Parpart.
Aufhorchen lässt diesbezüglich die Nachricht von Reuters, wonach hochrangige Beamte von etwa zwei Dutzend der wichtigsten Geheimdienste der Welt am Rande der Konferenz in Singapur ein geheimes Treffen abgehalten haben.
Der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, Wang Wenbin, teilte heute jedenfalls mit, dass die meisten Länder der asiatisch-pazifischen Region gegen eine Blockkonfrontation und eine NATO-Erweiterung in der Region sind.
Wir können nur hoffen, dass niemand in die Thukydides-Falle tappt, wobei es weitere Gründe gibt, die einen Krieg zwischen den USA und China entfachen könnten. Sicher ist, dass die USA als Hegemon am Straucheln sind und sich mit allen Mitteln und an verschiedenen Fronten gegen den Niedergang wehren.
Herzlich
Konstantin Demeter
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