Freiheit ist nicht Freiheit zu tun, was man will, sie ist die
Verantwortung, das zu tun, was man tun muss.
Yehudi Menuhin
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Jeden Tag treffen wir bis zu 20‘000 Entscheidungen, viele davon unbewusst. Demnach entscheiden wir alle drei Sekunden etwa, ob wir lieber Blues oder Rock hören, lieber Müsli oder eine Käsebrot essen oder Nachrichten aus dem Mainstream oder auf alternativen Medienplattformen lesen wollen.
Das Wort «Entscheiden» stammt gemäss Jacob und Wilhelm Grimm vom Wortstamm «sceidan» respektive «intsceidôn» und bedeutet so viel wie «aus der Scheide ziehen» oder «trennen». Man trennt sich beim Entscheiden also von mindestens einer Handlungsmöglichkeit, was wiederum voraussetzt, dass fürs Entscheiden mindestens zwei Handlungsoptionen vorhanden sein müssen.
So können wir uns auch entscheiden, ob wir bewusst leben und auf unser Herz hören oder lieber geistig vernebelt leben und den Meinungen folgen wollen, die eben gerade en vogue sind.
Hirnforscher haben derweil herausgefunden, dass wir wohl kaum noch zum Atmen kämen, wenn unser Bewusstsein alle grossen und kleinen Entscheidungen, die unser Gehirn sekündlich trifft, erst sorgfältig kritisch analysieren müssten.
Es macht also Sinn, dass «viele Prozesse im Gehirn unbewusst ablaufen», wie John-Dylan Haynes vom Bernstein-Zentrum für Computational Neuroscience in Berlin konstatiert: «Wir wären sonst schon mit alltäglichen Aufgaben der Sinneswahrnehmung und Bewegungskoordination völlig überfordert.»
An dieser Stelle möchte ich an unsere Fähigkeit des autonomen Denkens erinnern. Seit fast drei Jahren sind wir gefragt, uns dessen bewusst zu werden, was auf der Welt passiert. Umso mehr sind wir gefordert abzuwägen, ob wir uns vom Strom der Angst und Panik mitreissen lassen oder innehalten und uns fragen, wie wir in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, noch einen sicheren Platz finden können. Auch hier stellt sich erneut die Frage: Bleibe ich auf meinem gewohnten, sicheren Weg oder schlage ich auch mal Haken, die mir Einblicke in Themen wie Spiritualität oder alternative Lebensformen bieten.
Der Grundstein für autonomes Denken kann schon in der Kindheit gelegt werden. So besteht für den Philosophen Jean-Jacques Rousseau ein wichtiges Element der Erziehung darin, aus einem Kind einen vernünftigen und klugen Menschen zu machen. Ein autonomer beziehungsweise selbstbestimmter Mensch zeichnet sich seiner Meinung nach darin aus, dass er nach vollendeter Erziehung dazu in der Lage ist, alle Ereignisse selber zu beurteilen und vorherzusehen.
Des Weiteren soll er seine Lektionen von den Dingen an sich oder von der Natur erhalten anstatt von anderen Menschen. Ein weiteres Merkmal für die Selbstbestimmung einer Person ist gemäss Rousseau, dass sie sich nicht von der Meinung der Gesellschaft leiten lässt, sondern sich durch Reflexion mit den Dingen selber eine Meinung bildet.
Immanuel Kant ist der Ansicht, dass ein Mensch dann zu Autonomie beziehungsweise Selbstbestimmung gelangen kann, wenn es ihm gelingt, anstatt seinen Trieben nachzugeben, nach dem, was der Philosoph «Maximen» nennt, zu handeln. Diese entspringen laut Kant aus dem menschlichen Verstand und stellen sozusagen subjektive Gesetze dar. Und nur dann, wenn man in der Lage ist, sich ihnen gemäss zu verhalten, kann man einen Charakter ausbilden.
Dieser wiederum zeichnet sich aus durch Gehorsam, Wahrhaftigkeit sowie Geselligkeit. Dies sind die grundlegenden Erziehungsziele, auf die wir Kant zufolge achten müssen. Des Weiteren ist für ihn wichtig, dass jeder Mensch Pflichten gegenüber sich selbst und gegenüber anderen Menschen hat, die er befolgen muss. Er soll nämlich erkennen, dass jeder Mensch in sich eine Würde trägt, die ihn von anderen Lebewesen unterscheidet, und diese gilt es zu respektieren und wertzuschätzen, sowohl seine eigene als auch die anderer Menschen.
Besonders in diesen Zeiten ist es wichtiger denn je, zu dieser Würde zurückzugelangen und sich nicht von staatlichen Autoritäten und Pseudo-Wissenschaftlern verunsichern zu lassen. Kant verabscheut Lügner und Menschen, die Sünden begehen, wie zum Beispiel sich dem Trunk hinzugeben oder sich bei anderen «einzuschmeicheln». Wie bei Rousseau ist auch hier wieder der Begriff der Vernunft von zentraler Bedeutung, damit ein Mensch autonom werden kann. Diese zeichnet sich hierbei aber dadurch aus, dass der Mensch dazu in der Lage ist, sich nicht am Wert anderer Menschen zu messen, sondern an seiner eigenen Vernunft.
Der österreichische Philosoph Rudolf Eisler meint, dass das Prinzip der Autonomie des Willens darin besteht, dass der Mensch, indem er durch seine Pflicht an ein ihn moralisch nötigendes Gesetz gebunden ist, dabei doch «nur seiner eigenen und dennoch allgemeinen Gesetzgebung» unterworfen ist. Entsprechend ist er nur verpflichtet, seinem eigenen, aber «allgemein gesetzgebenden» Willen gemäss zu handeln.
Trauen Sie sich stets, ihrem autonomen Willen Ausdruck zu verleihen und autonom zu denken.
Herzlich
Lena Kuder
[email protected]
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