Wozu wohl ein Mozart, ein Beethoven, ein Goethe gelebt und ihre Werke geschaffen haben, wenn wir Heutigen nichts anderes wissen als töten und zerstören?
Anna Haag
Liebe Leserinnen und Leser
Vor kurzem stiess ich auf ein Buch mit dem Titel «Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode». Es handelt sich dabei um das erst 2021 erschienene Tagebuch von Anna Haag, das den Zeitraum 1940-1945 umfasst. Der Klappentext wirbt mit einem Zitat der FAZ: «Das Tagebuch der Anna Haag ist den berühmten Tagebüchern des Romanisten Victor Klemperer zur Seite zu stellen.» Dem kann ich nur zustimmen, das Buch ist wirklich eine Entdeckung und erinnert an die Tagebücher von Victor Klemperer. (Für alle, die Victor Klemperer nicht kennen, sei dies zur Einführung empfohlen.)
Die regimekritische Journalistin und spätere SPD-Politikerin aus Stuttgart setzte sich nach dem Krieg für Frauenrechte ein und war massgeblich daran beteiligt, dass es in Deutschland heute – noch – ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt. Die Frage ist: Wie lange noch?
Das Tagebuch zeigt – genau wie die Tagebücher von Victor Klemperer – den Alltag in einer vom Massenwahn geprägten Zeit auf. In vermeintlich harmlosen Alltagsssituationen wird, wie durch ein Brennglas, der unmenschliche Zeitgeist und die mass formation jener Zeit deutlich.
Man kommt nicht umhin, Parallelen zu heute zu ziehen: Da wäre das fraglose Mitmachen und Denunzieren von Mitmenschen der letzten drei Jahre zu nennen und nun auch die Kriegstreiberei ausgerechnet jener, die es doch eigentlich besser wissen sollten.
Anna Haag war erschüttert darüber, dass sich ihre Mitmenschen – wie sie sagt – «wie Schafe» verhalten und nicht hinterfragen, was um sie herum vorgeht. Das geht so weit, dass eine weinende Mutter eines toten Soldaten in der Strassenbahn zurechtgewiesen wird: «Da weint man nicht, da ist man stolz!».
Dies ist die erste Szene, die Anna Haag in ihrem Tagebuch beschreibt. Sie erinnert frappant an die verlogene Diskussion um die Kriegsrhetorik der politisch Verantwortlichen im heutigen Ukraine-Krieg.
Nicht zuletzt wird im Tagebuch deutlich, wie die Erfahrungen des Krieges Anna Haag nicht nur zu einer engagierten Demokratin, sondern auch zu einer überzeugten Pazifistin gemacht haben. Sie ist diejenige, die eine Gesetzesvorlage in den württembergischen Landtag einbrachte, welche das Recht zusichert, dass niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden darf. Dieses Gesetz wurde schliesslich 1949 – jedoch leider in eingeschränkter Form – in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen und lautet: «Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden», Art. 4 Abs. 3 GG.
Allerdings hat sie niemals eine Auszeichnung oder Anerkennung für diese wichtige Leistung erhalten. Das ist bemerkenswert, im negativen Sinne.
Mir scheint, es ist aktuell ein guter Zeitpunkt, sich wieder mit Anna Haag zu beschäftigen. Das sollten insbesondere auch ihre heutigen SPD-Genossinnen und -Genossen tun.
Ich wünsche Ihnen ein friedliches Wochenende.
Herzlich
Susanne Schmieden
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