Es ist beklagenswert, dass man nur dann ein guter Patriot sein kann,
wenn man zum Feind der übrigen Menschheit wird.
Voltaire
Liebe Leserinnen und Leser
Der «Wertewesten» hat jüngst das Internationale Olympische Komitee (IOC) wegen Häresie verurteilt. Die Folgen: Exkommunikation und Verbrennung auf dem Scheiterhaufen.
In weltliche Sprache und in die Gegenwart übersetzt bedeutet dies Shitstorm am Internet-Pranger und affektiver Empörungsmoralismus im Mediengewitter des Mainstreams.
Das Verbrechen: Das IOC hat Sportverbänden empfohlen, russischen und belarussischen Sportlern unter gewissen Bedingungen wieder die Teilnahme an Wettkämpfen zu ermöglichen. IOC-Präsident Thomas Bach erklärte, ganz nach dem olympischen Gedanken, dass grundsätzlich «wirklich alle Individuen» das Recht hätten, nicht diskriminiert zu werden aufgrund ihrer Nationalität.
Mannschaften bleiben laut IOC ausgesperrt, die Sportler müssen als neutrale Athleten antreten, ohne Flagge, Hymne und andere nationale Symbole, sie dürfen die russische Kriegspartei nicht unterstützen und keine militärischen Verbindungen haben. In den Augen des «Wertewestens» eine Verletzung seiner Glaubenslehre zur Deutungshoheit über den Ukraine-Krieg.
Der öffentlich-rechtliche Staatsrundfunk SRF, eigentlich zur sachgerechten Berichterstattung verpflichtet, zeigt in seinem tendenziösen Beitrag, wie die Inquisition aussieht: Artikel und Video sind einseitig, das IOC wird verurteilt, eine gegensätzliche Meinung fehlt komplett, die «richtige» Haltung zählt.
Nicht nur, dass dadurch das Prinzip der journalistischen Ausgewogenheit verletzt wird, auch die im Video repräsentierten Stimmen zeugen von immanentem Selbstwiderspruch. Der «Wertewesten» führt, so könnte man sagen, auch in der Ukraine Krieg im Namen der Menschenrechte, solange sie nicht für Russen gelten.
Der universelle Geltungsanspruch der Menschenrechte lässt sich aber nicht durch die Unterscheidung von «Freund» und «Feind» suspendieren. Das ist ein grundsätzliches Problem des westlichen Moralismus: Es wird ein Wertesystem aufgestellt, dessen Grundsätze man selber permanent unterminiert.
Dadurch ist es leicht, die westlichen Protagonisten der Doppelmoral zu bezichtigen. Der westliche Diskurs ist demgegenüber mit frappanter Blindheit geschlagen. Und weil man nichts sieht, nichts sehen will, gefährdet man das eigene gesellschaftliche Gerüst. Die eigene «Bösheit» wird dabei vollkommen verkannt.
Durch die Deklarierung des Anderen zum Feind wird die Grundlage für seine existenzielle Auslöschung geschaffen. So lassen sich Kriege legitimieren, man kann sie gegenüber den Bürgern als notwendig darstellen. Deshalb darf man darüber auch nicht offen diskutieren.
Das funktioniert nicht nur im nationalen Kontext der Territorialstaaten, auch in der eigenen Gesellschaft gibt es «böse» Gruppierungen. Man landet dann ganz schnell bei den Vernichtungslagern der Nazis (z.B. Juden) oder im Corona-Regime (Ungeimpfte). Das Eigene ist «gut» nach aussen und «alternativlos» nach innen, das Andere ist «feindlich» nach aussen und «böse» nach innen.
Die liberalen Demokratien sind nicht gefeit vor ideologischem Selbstbetrug. Durch die zunehmende Einengung der Debattenkultur entpolitisieren und gefährden sie sich selbst. Dazu braucht es keinen Putin. Aber der Umgang mit gewissen sachpolitischen Themen entlarvt das agonale Stadium des «Wertewestens».
Nichts verdeutlicht dies besser als Preisverleihungen für Persönlichkeiten, die gerade diese Werte mit Füssen treten. So ging etwa der diesjährige Karlspreis an Wolodimir Selenski (und das ukrainische Volk), Ex-Schauspieler und heutiger Staatspräsident der Ukraine, dem wohl korruptesten Land Europas, der Parteien- und Sprachvielfalt abschafft und Teile der eigenen Bevölkerung bombardiert.
Ein Preis, der Verdienste rund um die Einheit Europas auszeichnen soll, wird im Rahmen eines PR-Gags zur symbolischen Waffe im Dienst der öffentlichen Propaganda, um die Protagonisten der Doppelmoral publikumswirksam reinzuwaschen.
Das IOC verhöhne die ukrainischen Opfer der russischen Aggression; es ist aber offenbar kein Hohn gegenüber den ukrainischen (und russischen) Opfern Selenskis, wenn dieser einen Preis dafür erhält, dass er genau das Gegenteil dessen tut, wofür der Preis steht.
Bereits geistert im «Wertewesten» ein Olympia-Boykott für Paris 2024 umher. Irgendwie tragisch, wenn man bedenkt, dass die Winterspiele 2022 in China trotz dortiger Menschenrechtsverletzungen unter reger westlicher Beteiligung stattfanden. Nach China reisen wir, aber nach Paris, wenn die «bösen» Russen kommen?
Verschiedene Politiker fordern, kriegstreibende Nationen von der Welt des Sports zu verbannen. Gemäss diesem Massstab dürften nur noch wenige Sportler irgendwo teilnehmen. Gerade der «Wertewesten», angeführt von den USA, die seit dem Zweiten Weltkrieg am meisten Kriege weltweit angefacht haben, fordert nie deren Ausschluss. Denn: Wir sind die «Guten». Selbstredend.
Herzliche Grüsse
Armin Stalder
***********************
Hinweise:
Die Internationale Friedensfabrik Wanfried organisiert am Ostersonntag, 9. April 2023, von 14 bis 16 Uhr einen Friedensspaziergang auf der früheren Ost-West-Grenze in Grossburschla.
Die Veranstalter planen, eine Online-Beteiligung zu ermöglichen. Anmeldungen unter: [email protected], Weitere Informationen: Tel.: Wolfgang Lieberknecht: +49-176-437 733 28 und auf Facebook. Für Personen, die aus anderen Regionen anreisen, gibt es Übernachtungsmöglichkeiten.
***********************
Unterstützen Sie uns mit einem individuellen Betrag oder einem Spenden-Abo. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag für unsere journalistische Unabhängigkeit. Wir existieren als Medium nur dank Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Vielen Dank!
Oder kaufen Sie unser Jahrbuch 2022 (mehr Infos hier) mit unseren besten Texten im Webshop:
Bestellung in CHF hier und in EUR hier.
***********************
Hier finden Sie unsere neuen Podcasts.
***********************
Die TTV-News vom 24. März 2023 mit folgenden Themen:
???? Inhaltsübersicht (00:35)
???? Klimaskeptizismus, bald eine Straftat? (01:55)
???? Waffen mit abgereichertem Uran für die Ukraine (03:28)
???? Joachim Gauck kritisiert auf Einladung von Radio SRF einen bereits gefällten Entscheid der Eidg. Räte (07:05)
???? Die Credit-Suisse-Lösung war Diebstahl (08:52)
???? Gespräch mit dem Friedensaktivisten Alec Gagneux (19:31)
Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
Sie finden uns auf folgenden Kanälen und Plattformen:
Telegram│Rumble│Instagram│Facebook│YouTube
***********************