Tanz ist die verborgene
Sprache der Seele.
Martha Graham
Liebe Leserinnen und Leser
Italienische, afrikanische und jüdische Einwanderer begannen, im Hafenviertel von Buenos Aires einen eigenen Musikstil und Tanz zu prägen: den Tango; einen Tanz, der Ekstase und den Magnetismus zwischen Mann und Frau widerspiegelt.
Von 1890 an war der Tango fester Bestandteil der Volkskultur am Río de la Plata geworden. Doch in der Oberschicht galt er aufgrund seines Ursprungs in den Einwanderervierteln und Bordellen auch weiterhin als Ausdruck von Verkommenheit, Zweideutigkeit und Hoffnungslosigkeit. Von konservativen Journalisten und Teilen der Oberschicht wurde er ignoriert oder in Verruf gebracht. Die Mehrheit der Bevölkerung liess sich davon allerdings nicht stören und strömte zu den Milongas, wie diese Tanzveranstaltungen hiessen.
Um 1917, als Carlos Gardel «Mi noche triste» aufnahm, begann die Ära des Tango-Liedes. Das Stück mit der Musik von Samuel Castriota und dem Text von Pascual Contursi gilt als erster klassischer Tango-Canción. Der gesungene Tango mit seinen deutlichen und auch sozialkritischen Texten wurde für das breite Publikum immer wichtiger. Schaut man den eng ineinander verschlungenen Körpern der Tango-Tänzer zu, zeigt sich die Poesie, die ihre Füsse im Boden verewigen – kleine Pirouetten, sanft mit dem Zeh gezeichnete Kreise, mit der Schuhspitze sacht gezogene Linien.
Afrikanische Sklaven kaschierten im 18. Jahrhundert Kampftechniken im Tanz Capoeira. Auf den brasilianischen Baumwollfarmen der weissen Sklaventreiber sangen sie Lieder aus Angola und übten Schritte ein, die auf den ersten Blick einem traditionellen harmlosen Tanz glichen. Doch zugleich trainierten sie Tritte und Schläge, mit denen sie einen Menschen töten oder zumindest k.o. schlagen konnten.
Capoeira ist eine brasilianische Kampfkunst, deren Ursprung auf den afrikanischen NíGolo («Zebratanz») zurückgeführt wird. Während der Kolonialzeit wurde der Kampftanz in Brasilien von verschleppten Sklaven aus Afrika praktiziert und weiterentwickelt. Vorläufer der Capoeira waren diverse Kampfspiele und Tänze der afrikanischen und indigenen Kultur. Dazu gehörten vor allem Batuque, Luta do Bode, Bassula, Kamangula, NíGolo und das indianische Quarupe.
Um die Kämpfe zwischen Sklaven und Sklavenhaltern in den Quilombos, den Niederlassungen geflohener schwarzer Sklaven, ranken sich Legenden. So wird ihnen nachgesagt, dass sich dort die Capoeira stark weiterentwickelte und dass die Sklaven sie auch eingesetzt hätten im Kampf gegen mit Schusswaffen ausgerüstete Sklavenjäger.
Von der Choreographin Pina Bausch stammt das Zitat: «Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren.» Ein Leitspruch, den wir vielleicht verinnerlichen sollten, um unserern Freiheitsdrang auch durch Tanzen zum Ausdruck zu bringen. Die Bedeutung von Bauschs Werk beschränkt sich nicht auf eine Erweiterung des Tanzes mit anderen Genres und Medien oder den Verzicht auf eine bestimmte Form; vielmehr gewinnt ihr Werk erst durch seine Menschlichkeit an künstlerischer Grösse. Das Mitfühlen und Mitgefühl war die wichtigste Motivation zu ihrem Lebenswerk. In einem ihrer seltenen Interviews äusserte sie einmal: «Es ging und geht mir immer nur darum: Wie kann ich ausdrücken, was ich fühle?»
Tanzen tut unserer Seele gut. Endorphine werden freigesetzt, wir können unseren Körper spüren und unseren Geist mit ihm verbinden. Welche dramatischen Auswirkungen es doch hatte, dass uns durch die Lockdowns das Tanzen und den Kindern das Toben im Freien verboten wurde, wird uns jetzt mit aller Härte bewusst. Der Berliner Allgemeinmediziner Dr. Claudius Loga hat seine Erfahrungen der letzten drei Jahre in seinem Bericht «Corona-Grenzüberschreitungen» zusammengefasst.
Ich erinnere mich noch an solche grotesken Situationen aus dem Jahr 2020, als in einem Amsterdamer Techno-Club die Besucher mit eineinhalb Metern Abstand brav auf ihren Stühlen sassen und unterhalb des DJ-Pults zum Takt der Musik wild mit den Armen wedelten. Ein ähnliches Tanzverbot hatte die britische Regierung schon 1992 nach dem Rave in Castlemorton Common in Worcestershire erlassen.
Nach britischem Recht handelt es sich um einen illegalen Rave, wenn sich 20 oder mehr Personen «auf einem Grundstück unter freiem Himmel versammeln» und dabei Musik hören, «die ganz oder überwiegend durch eine Abfolge von sich wiederholenden Beats gekennzeichnet ist» – und zwar in einer Lautstärke, die «die Anwohner ernsthaft beunruhigen» kann.
Kinder haben unter den Lockdowns besonders stark gelitten. Wie eine Schweizer Studie belegt, die im International Journal of Environmental Research and Public Health veröffentlicht wurde, haben bei Kindern und Jugendlichen Stress und psychische Störungen infolge des Lockdowns zugenommen.
Seit fast 80 Jahren halten wir an der Formel: «Nie wieder!» fest. Im «Pandemie»-Experiment hat ein Grossteil der Menschen diesen Glaubenssatz wohl vergessen. Deshalb finde ich es umso wichtiger, dass wir uns immer wieder bewusst werden, was unsere menschliche Essenz ausmacht. Wir sollten uns stets daran erinnern, dass wir mündige, freiheitsliebende, selbstbestimmte Wesen sind, die ohne Tanz, Bewegung und sozialen Kontakt verkümmern und depressiv werden.
Ich wünsche Ihnen eine beschwingte Woche in guter Gesellschaft mit Lachsalven und wilden Tänzen.
Herzlich
Lena Kuder
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