Die Kontrolle der wichtigsten Ressourcen
ist entscheidend für die Aufrechterhaltung
der Vorherrschaft einer Grossmacht.
Paul Kennedy
Liebe Leserinnen und Leser
Ich schloss mein Studium in Geschichte und Volkswirtschaft in der Schweiz im Jahr 1989 ab. Nach einem Jahr Arbeit in einem Verlag sah die Welt anders aus. Die Mauer war weg, Ost und West schienen sich zu versöhnen.
Im Herbst 1990 verliess ich die Schweiz, um in England ein Nachdiplomstudium zu absolvieren. Wir sprachen an der University of East Anglia in Norwich viel über das Buch «The Rise and Fall of the Great Powers» von Paul Kennedy, das frisch publiziert worden war und dessen Autor an ebendieser Universität gelehrt hatte.
Vereinfacht argumentiert Kennedy: Der Aufstieg einer Grossmacht korreliert stark mit verfügbaren Ressourcen. Militärische Überdehnung und ein damit verbundener relativer Machtverlust sind die Bedrohungen für Mächte, deren Ambitionen und Sicherheitsanforderungen grösser sind als ihre Ressourcenbasis dies ermöglichen kann.
Kennedy betont, dass Grossmächte auf dem absteigenden Ast möglicherweise grössere Schwierigkeiten haben, sich zwischen Rüstung, Sozialausgaben und Investitionen zu entscheiden. In der Volkswirtschaftslehre nennt man das, sich zwischen Kanonen und Butter zu entscheiden.
Kennedy führt aus, dass der relative Erfolg einer Grossmacht nicht nur das Ergebnis langwieriger militärischer Konflikte ist, sondern auch von der effizienten Nutzung ihrer wirtschaftlichen Ressourcen und ihrem wirtschaftlichen Auf- oder Abstieg in den Jahrzehnten vor einem Konflikt abhängt.
Er illustriert seine Argumente am Beispiel der USA, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von einer starken Wirtschaft profitierten, bevor sie in den späteren Jahren einen relativen Rückgang erlebten. Kennedy vergleicht die Situation der USA mit derjenigen Grossbritanniens vor dem Ersten Weltkrieg und weist darauf hin, dass die wachsenden militärischen Ausgaben zu einem Rückgang der produktiven Investitionen führen, was letztendlich zu langsamerem Wachstum, höheren Steuern und schwächerer Verteidigungskapazität führen kann. Schon 1988 fällt ihm auf, dass die USA in kürzester Zeit vom Nettogläubiger zum grössten Nettoschuldner geworden sind.
Er schliesst mit dem Ratschlag, dass es die Aufgabe amerikanischer Staatsmänner in den kommenden Jahrzehnten sei, die relative Erosion der Position der Vereinigten Staaten langsam und sanft zu managen und politische Massnahmen zu vermeiden, die kurzfristige Vorteile, aber langfristige Nachteile bringen könnten.
Ich nahm das Buch mit grossem Interesse zur Kenntnis. Schon seit einigen Jahren hatte ich den Verdacht, dass die USA in grosse wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten, was es schwierig machen würde, die Position der unangefochtenen Supermacht ohne eine äusserst aggressive Aussenpolitik zu halten.
Die amerikanischen Präsidenten haben den Ratschlag Kennedys nicht beherzigt. Die Politik wurde immer aggressiver und gipfelt heute darin, Konflikte am Leben zu halten, die Rohstoffpreise so in die Höhe zu treiben und dann die eigenen Rohstoffe teuer zu verkaufen.
Nach diesem Studium kam ich zurück in die Schweiz, fand mich aber im Sommer 1996 in London in einer Schweizer Grossbank wieder. Bei der Vorstellungsrunde lernte ich den Chef der Researchabteilung kennen. Es handelte sich um Jim O’Neil, der von vielen Experten als einer der führenden Ökonomen im Bereich der Entwicklungs- und Schwellenländer bezeichnet wird. Der Kollege war sehr zugänglich, er verzichtete auf ein Einzelbüro und zog es vor, mitten im Getümmel des Handelsraums zu sitzen.
O’Neill wurde durch die Veröffentlichung eines Researchberichtes bekannt, in dem er ein starkes Wirtschaftswachstum Brasiliens, Russlands, Indiens und der Volksrepublik China prognostizierte. Darin verwendete er die Abkürzung BRIC, welche für die Anfangsbuchstaben der vier Länder steht. Die BRICS haben mittlerweile eine eigene Organisationsstruktur und es kamen neue Staaten dazu. Das hinzugefügte «S» steht beispielsweise für Südafrika.
Jahre nach dem Handschlag mit Jim O’Neill lernte ich in Genf die Journalistin Myret Zaki kennen, als ich Kommunikationsverantwortlicher für eine Schweizer Bank war. Sie war kritisch, aber immer extrem kompetent, eine Kombination, die man im Schweizer Journalismus immer seltener antrifft.
Nun zeigte sie in einem luziden Beitrag, den ich hier zusammengefasst habe, wie viele Wirtschaftsmedien und Banken unkritisch behaupten, der Dollar sei immer noch König, während in Tat und Wahrheit dessen Erosion in vollem Gange ist und eine wirtschaftliche Multipolarität im Entstehen sei.
Kennedy zeigt, wie Imperien entstehen, blühen und absteigen. Bei den USA sehen wir im Moment eine Aggressivität, die für diesen Abstieg charakteristisch ist.
Die Hoffnung besteht darin, dass dieser Abstieg noch gemanagt werden kann und dass es nicht zum Äussersten kommt.
Herzlich
Daniel Funk
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