Warum denn? Warum so? Warum nicht anders?
unbekannt
Liebe Leserinnen und Leser
Gegenwärtig sieht es so aus, als wenn Konflikte in der Welt nur noch im Krieg enden. Diplomatische Lösungen scheinen gar nicht mehr angestrebt zu werden. Die Antwort der Regierenden vor allem im Westen scheint nur: Noch mehr Waffen!
Angesichts dessen sind die oben zitierten Fragen zu stellen. Sie haben immer wieder auch den Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker (1912 – 2007) beschäftigt. Er hatte einst an der Atombombe für die deutschen Faschisten mitgearbeitet und sich später für Frieden und für nukleare Abrüstung eingesetzt.
Ich wurde an ihn wieder erinnert, als ich kürzlich auf vermeintliche Zitate aus seinem Buch «Der bedrohte Friede» von 1983 aufmerksam gemacht wurde. Darin soll er angeblich unter anderem den Untergang der Sowjetunion, die Globalisierung und die Reduktion der Weltbevölkerung sowie das drohende «Armageddon» vorhergesagt haben.
Doch ein Blick in das Original-Buch hat mir gezeigt, dass diese Zitate falsch sind. Solche Aussagen sind in dieser Sammlung von Texten von ihm aus mehreren Jahrzehnten nicht zu finden.
Bei der Suche nach der Quelle der auf den ersten Blick erstaunlichen Zitate stiess ich dafür auf einen Text des Physikers, erschienen vor fast genau 41 Jahren in der österreichischen Zeitung Die Furche. Darin hat er auf die Frage im Titel «Wie man den Frieden sichern kann» mit sechs Thesen beantwortet.
Zwar schrieb von Weizsäcker sie mit Blick auf das damalige Wettrüsten im Kalten Krieg, aber sie haben im Kern nichts an ihrer Wahrheit und Aktualität verloren. Deshalb will ich die Grundaussagen hier wiedergeben.
In der ersten These bezeichnete der Physiker einen nuklearen Weltkrieg als wahrscheinlich. Es sei nicht gelungen, nach dem Erschrecken vor Atombombe und Wasserstoffbombe den Krieg als Institution zu überwinden.
Nichts hat sich seiner Meinung nach seit Jahrtausenden am «allgemeinen tiefsten Grund der Kriegsgefahr» geändert, schrieb er in These 2: die gegenseitige Angst.
«Angst erzeugt den Wunsch, stärker zu sein als der Gegner. Der beiderseitige Wunsch nach Sicherheit durch Stärke führt militärisch zum Wettrüsten, politisch zum Hegemoniekampf.»
Das steigert aus seiner Sicht die Angst der Gegenseite und führt angesichts der gesellschaftlichen Folgen «die Mächte in Versuchung, die Lösung ihrer so entstandenen Probleme in der Anwendung der angehäuften Gewalt zu suchen».
In seiner dritten These ging von Weizsäcker auf die speziellen Gründe für die Kriegsgefahr in den 1980er Jahren ein. Mindestens einer ist bis heute aktuell: «(…) die vor allem in Amerika vorangetriebene Entwicklung immer neuer Kernwaffen für spezielle Verwendung steigert die Gefahr, dass diese Waffen einmal eingesetzt werden.» Aber auch die von ihm benannte Krise der Weltwirtschaft als Gefahr ist wieder aktuell.
Mit der vierten These wandte er sich an die damaligen Supermächte, mit Rüstungskontrollverhandlungen «eine grosse politische Krise» zu verhindern. Nachdem inzwischen alle damals abgeschlossen Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge aufgekündigt wurden, gilt das heute um so mehr.
Weizsäcker verwies dabei vor 41 Jahren auf das Aktionsprogramm der «Palme-Kommission». Die von ihr benannten Grundsätze gemeinsamer Sicherheit sind bis heute gültig.
These 5 war an die Friedensbewegung gerichtet, die erst spät erwacht sei angesichts einer bereits jahrzehntealten Gefahr. Der Protest gegen die Stationierung von Atomwaffen reiche noch nicht aus, um die Kriegsgefahr zu mindern.
Vor einem «verhängnisvollen Irrtum» warnte der Physiker die westlichen Regierungen, aber auch die damalige sowjetische Führung in seiner sechsten These. Sie würden irren, wenn sie meinten, sie könnten bei ihren Rüstungsplänen die Friedensbewegung ignorieren.
Zugleich könne Moskau nicht darauf setzen, dass ihm der Protest im Westen notwendige Zugeständnisse erspare. Er warnte vor der Folge einer beiderseitigen gesellschaftlichen Destabilisierung, «welche die Gefahr des für beide Seiten verderblichen Kriegs in unberechenbarer Weise steigern würde».
Ich kann nur vorschlagen, Erkenntnisse und Worte wie die von Weizsäckers aus dem Staub der Archive zu holen. Sie müssen wieder lesbar und hörbar gemacht werden angesichts eines unerträglichen und geschichtsvergessenen Kriegsgeschreis.
In dem Sinne wünsche ich Ihnen einen friedlichen 2. Advent!
Herzlich
Ihr Tilo Gräser
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