Bankraub ist eine Initiative von Dilettanten.
Wahre Profis gründen eine Bank.
Bertolt Brecht
Liebe Leserinnen und Leser
Vor den Westmächten ist Kuschen angesagt, im Sanktionskrieg gegen Russland Mitläufertum. So kann die gegenwärtige Haltung der Schweizer Regierung lakonisch beschrieben werden. Die Neutralität scheint Bern nur noch bedingt zu interessieren.
Die Politeliten wollen es sich auf keinen Fall mit Washington verspielen. Da kann ein US-Botschafter die Schweiz auch schon mal öffentlich beleidigen.
In Bern scheint das niemanden zu stören. Wer sich selbst klein macht, den nimmt man schon bald nicht mehr ernst. Und so scheint es auch im Fall des CS-Debakels zu sein.
Die USA führen nicht nur Wirtschaftskriege gegen für sie politisch unliebsame Staaten wie Russland und Iran. Auch Finanzplätze und Unternehmen, die ihnen nicht genehm sind, haben einen schweren Stand.
Besonders abgesehen haben es die USA, mit ihren Steueroasen wie Delaware nicht über jeden Verdacht erhaben, auf nicht-angelsächsische Steueroasen. Gegen sie führen sie seit Jahren einen schonungslosen Finanzkrieg.
Da verwundert es wenig, dass Schweizer Banken wiederholt ins Visier der US-Regierung geraten sind. Schliesslich tummeln sich hier alle möglichen Gangster, die den Falken in Washington ganz und gar nicht in den Kram passen – zum Beispiel russische oder syrische Oligarchen. Menschen, die auf der Abschussliste Washingtons stehen.
Ich muss gestehen: Ich war nie ein Fan der Schweizer Grossbanken und des Bankgeheimnisses. Schweizer Grossbanken, die sich als Drehscheibe für Diktatoren- und Mafia-Gelder betätigten, haben mich immer geärgert.
Was mich aber stets ebenso echauffiert hat, ist der heuchlerische Finanzimperialismus der USA. Spätestens ab 2008 (nach der UBS-Rettung) starteten die US-Machteliten ihr Powerplay gegen die Schweizer Grossbanken. Das US-Finanzministerium knüpfte sich die UBS vor, die CS folgte sogleich.
«Am Bankgeheimnis werdet ihr Euch die Zähne ausbeissen», sagte Finanzminister Hans-Rudolf Merz noch im Frühjahr 2008. Wenig später war es passé.
Doch heute, so scheint es, haben die Schweizer Behörden überhaupt keine Zähne mehr. Devot macht man in Bern, was Washington und London verlangen.
Und klar ist: In einflussreichen Kreisen in Washington und London muss die CS schon länger auf der Abschussliste gestanden haben – die Bank, die in den vergangenen Jahren wiederholt unter Beschuss geraten war, weil sie für reiche Personen aus dem Umfeld US-feindlicher Regierungen einen «sicheren Hafen» darstellte – man denke nur an die Pandora- oder Panama-Papers oder die Suisse Secrets.
Karin Keller-Sutter, die gegenwärtige Finanzministerin, betonte im Zuge der gestrigen Pressekonferenz zum CS-Debakel: Sie habe in den letzten Tagen und Wochen sehr oft mit US-Finanzministerin Janet Yellen und dem britischen Finanzminister Jeremy Hunt telefoniert. Entlarvend. Hat sie auf deren Diktate gehört?
Der Verdacht drängt sich auf, dass die angelsächsischen Finanzeliten es darauf abgesehen hatten, die CS untergehen zu lassen. Die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) war es, die die Veröffentlichung des Jahresberichts kürzlich in letzter Minute gestoppt hatte.
Doch Finanzexperten gaben auch schon 2022 entsprechende Signale von sich. Auf die Frage, was die Schweiz dringend lösen müsse, meinte der renommierte englische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze im Herbst bei einem Vortrag an der Universität Zürich:
«Ich meine, es liegt auf der Hand, oder? Wir wissen doch alle, was die Schweiz tun kann und sollte. Muss ich das wirklich laut sagen? Credit Suisse können wir uns nicht leisten, Leute, was ist denn los hier? Das ist verrückt.»
War die «Filetierung» womöglich längst beschlossene Sache? Angesichts des Verhaltens der obersten Schweizer Behörden kann zumindest dieser Verdacht entstehen.
Von der Finanzmarktaufsicht (Finma), der Nationalbank (SNB) bis zum Bundesrat: Alle schauten sie in den vergangenen Monaten weg. Alle hatten sie mit eigenen Problemen zu kämpfen.
Die Nationalbank erzielte 2022 einen gewaltigen Verlust von 132 Milliarden – auch deshalb, weil sie sich mit dem Kauf zahlreicher Aktien von US-Grosskonzernen massiv verspekulierte.
Weshalb haben sie der CS-Spitze nicht die Leviten gelesen, um den endgültigen Zusammenbruch zu vermeiden? SNB und Finma begründen ihr Verhalten mit dem Recht – nur um dann im Hauruck-Eiltempo sämtliche Gesetze und Paragraphen auf dem Altar des Notrechts zu opfern.
«14 Jahre Too Big To Fail, 14 Jahre Nie-mehr-Grossbank-retten: Sie waren für die Tonne. Zentnerschwere Papierberge ohne jeglichen Nutzen», kommentiert Journalist Lukas Hässig, der die CS-Geschichte schon seit Monaten wie kaum ein zweiter Journalist im Lande auf dem Schirm hat.
Was das Notrecht anbelangt, werden zumindest Parallelen zur UBS-Rettung von 2008 sichtbar. Und sowieso: Letztere Bank kann sich freuen.
Sie kauft das einst von Alfred Escher aus dem Boden gestampfte Geldhaus für ein «Trinkgeld» von 3 Milliarden – und dies zudem zu Sondergarantien, die sich jedes «normale» Unternehmen nur erträumen könnte. Ins Fäustchen lachen kann sich Colm Kelleher, der UBS-Ramscher am Banken-Basar.
Ohnehin scheint es, dass Kelleher und Co. hierzulande deutlich mehr zu sagen haben als die Regierung selbst. «Wir sind der UBS dankbar… auch der CS sind wir dankbar», meinte Keller-Sutter an der gestrigen Pressekonferenz.
«Persönlich geradestehen fürs Fiasko made in Zurich müssen sie nicht, vielmehr erweist ihnen die oberste Exekutive die uneingeschränkte Ehre. Die Erklärung für dieses an Fragwürdigkeit kaum zu übertreffende Verhalten der Schweizer Politelite liegt in der Angst vor eigenständigem Verhalten, welches Verantwortung und Mut voraussetzt», kommentiert Hässig.
Er hat leider recht. An Eigenständigkeit und Mut fehlt es den Machteliten der Schweiz an allen Ecken und Enden. Höchste Zeit für die Schweiz, wieder aufzustehen.
Herzlich
Rafael Lutz
[email protected]
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