Der Mensch lebt nicht nur
sein persönliches Leben als Einzelwesen,
sondern, bewusst oder unbewusst,
auch das seiner Epoche und Zeitgenossenschaft.
Thomas Mann
Liebe Leserinnen und Leser
Vermutlich haben Sie auch schon mit Freunden fantasiert, wie es gewesen wäre, in einer anderen Epoche gelebt zu haben. Jeder hat seine Präferenzen: Bei den alten Ägyptern, zur Zeit Sokrates’ und Platons, im Mittelalter oder während der Renaissance. Alles spannende Perioden. Doch ich bin mit der Zeit zum Schluss gekommen: Ich bin froh, im faszinierenden Jetzt zu Leben – allfällige vorherige Leben lassen wir mal aussen vor.
Meine Freude beruht auf der enormen Veränderung, die im Laufe meines Lebens stattgefunden hat und die sich fortlaufend beschleunigt. Ich befürworte zwar bei weitem nicht alles, und manches macht mir Angst. Doch ich bin dankbar dafür, es erleben zu dürfen. Allerdings bin ich mir auch bewusst, aus einer privilegierten Position zu sprechen: Ein Palästinenser in Gaza möchte ich momentan lieber nicht sein. Und ein Weltkrieg kann mir auch erspart bleiben.
In meiner Jugend gab es nur Festnetztelefone mit Wählscheibe, Videoanrufe waren Science Fiction und der erste Macintosh lernte gerade, «Hello» zu sagen. Man wusste jedoch auch ohne Handy, wo man sich treffen konnte. Und den Weg dorthin fand man ohne GPS. Heute befinde ich mich in einer anderen Welt, die mehr denn je zeigt: Neue Technologien sind ein zweischneidiges Schwert.
Nun also 2024. Dabei war 2001 einmal ferne Zukunft. Was erwartet uns? Es wird zweifellos ein Schicksalhaftes Jahr werden. Wir starten es mit mindestens zwei Kriegen, die das Potenzial haben, zu einem Weltkrieg auszuarten. Global relevante Brandherde könnten sich zu Kriegen ausweiten.
Es könnte sein, dass der längst fällige grosse Wirtschaftscrash eintritt. Irgendwann wird das aufgeblähte Geld- und Finanzsystem jedenfalls platzen. Sicherlich werden weiterhin zahlreiche KMUs untergehen. Und die KI wird weiter in unser Leben eindringen, ob auf positive oder negative Weise.
Im Februar wird bei einer öffentlichen Anhörung Julian Assanges Schicksal eine entscheidende Wende nehmen. Im Mai wird sich entscheiden, ob die Welt einer Gesundheitsdiktatur unterstellt wird. Dann nämlich soll bei der 77. Weltgesundheitsversammlung der WHO in Genf über den Pandemievertrag abgestimmt werden.
Im Juni wird dann das Europäische Parlament gewählt. Und Anfang November werden wird wissen, wer der nächste US-Präsident sein wird. Und apropos Regierungen: Es wäre sehr überraschend, wenn Ende Jahr noch die deutsche «Ampel» an der Macht wäre.
Bestimmt wird sich jedenfalls in ferner Zukunft jemand wüschen, in der Zeit gelebt zu haben, als der Computer erfunden wurde. Vielleicht wird er dies nicht nur aus historischem Interesse tun, sondern weil die heutige Zeit als eine bessere angesehen werden wird. Oder es kommt alles ganz anders, und man wird von der Epoche des Aufbruchs sprechen.
Was auch immer auf der Welt geschieht, persönliche Probleme und Schicksale hat jeder. Sie gehören zum Leben. Genauso wie das Glück. Und einen Beitrag dazu kann die Musik leisten – oder sie kann helfen, schwierige Zeiten zu überwinden.
Bei all dem Wandel hat Qualität bestand. Als die Musik noch analog war, drehten sich auf meinem Plattenteller oft die «alten» Genesis, als Peter Gabriel noch in der Gruppe war. Diese Klänge waren eine Offenbarung: Phantastische Welten taten sich auf; barocke Geschichten; ein Kaleidoskop der Gefühle. Besonders das Album «Selling England by the Pound» aus dem Jahr 1973 hatte es mir angetan – und tut es immer noch. Darin enthalten ist das fast zehnminütige epische Meisterwerk «Firth of Fifth».
Im vergangenen Jahr, also ein halbes Jahrhundert später, hat Gabriel sein neuesten Album veröffentlicht, schlicht «i/o» genannt. Der geniale Musiker experimentierte und entwickelte seine Kunst in der Zwischenzeit weiter. Er gehörte stets zur Avantgarde und hat somit die neueste Technik kreativ genutzt. Die Seele der ersten Genesis spürt man immer noch. Gabriel hat aber nicht nur seine eigene Karriere vorangetrieben, sondern mit dem Projekt World of Music, Arts and Dance, kurz WOMAD, und den Real World Studios zahlreichen internationale Künstler ein Sprungbrett geboten.
Das neue Jahr kann man auch mit weiteren «epochenüberschreitenden» Musikern anklingen lassen. Für die Anspruchsvolleren – wie Genesis sind sie aus der Sparte Progessive Rock – zum Beispiel mit den neuen Alben der Rockbarden Jethro Tull oder der galaktischen Yes. Als leichtere Kost rollen die Stones immer noch. Und sie rocken – wieder. Allerdings leider ohne ihr 2021 verstorbenes Metronom Charlie Watts. Mit demselben Produzenten, Andrew Watt, geht das unverwüstliche und längst totgesagte Party-Animal Iggy Pop etwas härter zur Sache.
Besonders erfreulich ist es, wenn die musikalischen Helden und Dissidenten von damals auch heute noch gegen den Strom schwimmen und ihren Mund nicht halten. Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger hat sich hier in der «Corona-Zeit» nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Hat er sich doch 2021 in dem neu komponierten Song «Easy Sleazy» ziemlich abfällig über Menschen geäussert, die der «Impfung» kritisch gegenüber stehen, und behauptet, man können mit diesen Menschen «nicht debattieren», da sie schlicht «irrational» seien.
Und der mittlerweile 80-jährige hat in eben dieses Lied auch auf ziemlich billige Weise eine Strophe eingebaut, die er als «eine Verarschung von Verschwörungstheorien» bezeichnete.
Anders hingegen der Pink Floyd-Mitbegründer Roger Waters, der letztes Jahr «The Dark Side of the Moon» neu interpretiert hat und trotz Diffamierung und Versuchen, seine Konzerte zu verbieten, über die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen kein Blatt vor den Mund nimmt.
Im Widerstand liegt denn auch die Hoffnung im neuen Jahr. Jeder kann dazu beitragen, die «Bricks in the Wall» zu verhindern oder zu entfernen. Man muss dafür nicht Roger Waters heissen.
Im diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Mut und alles Beste fürs neue Jahr!
Herzlich
Konstantin Demeter
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