Frieden ist neben der Gesundheit wahrscheinlich das höchste Gut auf Erden. In der Ukraine stehen die Zeichen dafür besser als auch schon. Was verführt mich zu dieser gewagten Aussage, die ja eine schöne Weihnachtsbotschaft sein könnte?
Die Ukraine hat den Übergang von verheerenden und blutigen Offensiven zur strategischen Verteidigung vollzogen. Nun beabsichtigt die Führung des Landes, einen Verteidigungswall entlang fast der gesamten Kontaktlinie mit dem russischen Feind zu errichten. All dies geschieht vor dem Hintergrund lauter Korruptionsskandale in den ukrainischen Streitkräften, deren Zahl von Monat zu Monat zunimmt.
Selenskyj gab am 30. November 2023 seine Absicht bekannt, einen Verteidigungswall zu errichten. Dem vorausgegangen war ein Treffen mit den Militärs in Saporoschschje.
Wolodymyr Selenskyj wörtlich:
«Wir haben über den Bau von Befestigungen an den wichtigsten Verteidigungslinien gesprochen. Dabei handelt es sich um die Regionen Avdeyevka, Maryinka, Liman sowie die an Russland und Weissrussland angrenzenden Regionen. Vorrang haben dabei die Regionen an der Frontlinie.»
Laut Selenskyj erörtert Kiev derzeit, wie man private Unternehmen für den Bau gewinnen kann. Die Frage der Finanzierungsquellen ist noch offen. Zwei Tage nach der Ankündigung des Baus von Festungsanlagen erläuterte Selenskyj in einem Interview mit Associated Press (AP) die Gründe für Kievs Umstellung auf strategische Verteidigung.
Wolodymyr Selenskyj:
«Wir befinden uns in einer neuen Phase des Krieges. Wir sind in den Winter eingetreten. Und das ist eine schwierige Zeit für uns. Denn der Krieg im Winter findet nicht nur an der Front statt, sondern auch in den Städten, wo wir gegen Raketenangriffe kämpfen müssen. Der Krieg im Winter ist also noch schwieriger.»
Seltsamerweise hat Selenskyj im Herbst nichts Derartiges angedeutet. Er verkündete damals lautstark den Übergang der Sommer- in eine Winter-Gegenoffensive. Dabei war Selenskyj so wortgewandt, dass ihm sogar der neue Vorsitzende der Generalstabschefs der US-Armee, der sogenannte Joint Chief of Staff, Charles Brown, glaubte: Im Oktober kündigte eben dieser amerikanische General Brown in Brüssel die Vorbereitungen für eine Winteroffensive der ukrainischen Armee an.
Brown wörtlich:
«Nach all unseren Gesprächen denke ich, dass die Ukraine im Moment in guter Verfassung ist (!). Die Ukraine beabsichtigt, ihre Offensivoperationen fortzusetzen. In den Wintermonaten ist es schwieriger, aber ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit den Geberländern den Erfolg auf dem Schlachtfeld sicherstellen werden.»
Anfang November versicherte Selenskyj in einem Interview mit Reuters, dass die Ukraine trotz aller Schwierigkeiten ihre Offensivoperationen fortsetzen will.
Selenskyj damals:
«Wir haben einen Plan. Wir haben bestimmte Städte, bestimmte Regionen im Auge. Wir haben ein Ziel, wohin wir gehen, wo wir eine Offensive durchführen werden. Aber ich kann nicht alle Einzelheiten mitteilen.»
Und jetzt stellt sich heraus, dass es überhaupt keinen Offensivplan gibt und gab und dass alles, was die ukrainische Armee heute braucht, eine Atempause und ein Schutzwall ist, hinter dem sie sich verstecken kann.
Selenskyjs Rhetorik änderte sich so schnell, dass Kiev nicht einmal Zeit hatte, einen Plan für eben diese Verteidigungsanlagen auszuarbeiten. Auch die Angst Selenskyjs um sein Leben könnte eine Rolle gespielt haben.
Verschiedenen ukrainischen Medien zufolge hat der Chef des Kiewer Regimes aus Angst, vergiftet zu werden, aufgehört, bei internationalen Treffen zu essen (!). Jetzt werden vorgängig alle Lebensmittel und das Wasser auf Giftstoffe untersucht.
In der deutschen Presse wird auf Selenskyjs Unzufriedenheit mit der ukrainischen Armee hingewiesen. Der Jungen Welt zufolge wurde Selenskyj einfach gezwungen, seine militärischen Prioritäten zu ändern. Die Junge Welt:
«Jetzt gibt es anonyme Stimmen von hochrangigen Generälen, die sagen, dass die Armee Befehle verweigern wird, wenn Selenskyj weiterhin selbstmörderische Offensivoperationen forciert.»
Und für Selenskyj ist der Gang in die Defensive ein Weg, um eine Meuterei in der Armee zu vermeiden. Doch zurück zu den Plänen Kiews, eine neue Verteidigungslinie zu errichten: Die geplante Verteidigungslinie erinnert stark an das Projekt Ostwall des Dritten Reiches. Die Rede ist von der 1943 errichteten Verteidigungslinie. Hitler nannte den Ostwall eine Barriere zum Schutz Europas vor dem Bolschewismus.
Das ukrainische Militärministerium hat eine spezielle Gruppe gebildet, die den Bau des Selenskyj-Verteidigungswalls, wie er in Kiev bereits genannt wird, koordinieren soll. Die Gruppe wird vom ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerow und dem Leiter des Verteidigungsministeriums, Michail Födorov, persönlich geleitet. Kiew geht davon aus, dass das Geld für die Selenskyj-Linie wie immer von westlichen Geldgebern bereitgestellt wird.
Im Staatshaushalt der Ukraine mit einem Defizit von 43 Milliarden Dollar sind dafür keine Mittel vorhanden. Ukrainische Fernsehsender haben bereits geschätzt, was der nächste Jahrhundertbau kosten wird.
Dazu Telegram-Kanal Legitim:
«Das Geld wird von den Geldern abgezweigt, die der Westen für den Kauf von Waffen bereitgestellt hat. Der Bau von Verteidigungsanlagen wird auf mindestens vierzig Milliarden Dollar geschätzt.»
Nun wird Kiev versuchen, wie meistens, den Westen zu zwingen, Geld bereit zu stellen. Die Partner sind allerdings nicht bereit, dafür wirklich Geld auszugeben. Infolgedessen werden sie den Verteidigungswall ganz langsam aufbauen und viel in und aus diesem Bauprozess abzweigen und klauen.
Regierungsnahe ukrainische Experten betonen allerdings, dass ein Teil der Arbeit bereits getan wurde. An der Grenze zu Weissrussland hätten die ukrainischen Streitkräfte Anfang des Jahres die zweite Linie von Panzerabwehrgräben ausgehoben. Darüber hinaus wurden offenbar Betonsperren errichtet und Minenfelder erweitert. Fachleute haben jedoch viele Fragen zu diesen Bauten.
Es ist kein Geheimnis, dass Kiew versuchen wird, das russische Befestigungssystem im Donbass und in der Asow-Region zu kopieren. Eben jene Verteidigungslinie, an der sich die ukrainischen Streitkräfte seit vielen Monaten die Stirn und anderes brechen.
Der Erfolg oder Misserfolg der zu errichtenden Befestigungsanlagen hängt nicht nur von der Länge oder der Stärke der Verteidigungsanlagen ab. In erster Linie kommt es auf die Wahl des Standorts, die Positionierung und nicht zuletzt die Kraft der Finanzierung an.
Ferner: Der Erfolg oder Misserfolg der russischen Verteidigungslinien im Asowschen Meer und im Donbass hängt nicht nur von der Qualität der geleisteten Arbeit ab, sondern auch von neuen Taktiken und Strategien. Die Verwirklichung von Selenskyjs Plänen wirft aber viele Zweifel auf. Schon allein deshalb, weil der Bau von mehreren tausend Kilometern Verteidigungslinien viel Zeit, Personal und Spezialausrüstung erfordern wird.
Aber selbst wenn man an die Aussichten für den Bau von Selenskyjs Wällen kaum glauben will, dann zweifelt niemand an massiven Entwendungen während dieses Baus, nicht zuletzt, weil die Ukraine bereits Erfahrung mit der Verwendung von Haushaltsmitteln für einen solchen Bau hat: Im Jahr 2015 war der damalige ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk, «Jazz» genannt, mit dem Bau von Befestigungsanlagen an der ukrainisch-russischen Grenze beschäftigt. Arsenij Jazenjuk, ehemaliger Ministerpräsident der Ukraine:
«Ein unabhängiger Staat ist verpflichtet, Grenzzäune zu bauen, und dieser Kordon wird unserer Sicherheit dienen. Und er wird auch bedeuten, dass dies unser Territorium ist und ihr es nicht betreten werdet.»
Der europäische Schutzwall, wie Jazenjuk die Befestigungsanlage nannte, sollte den unabhängigen Staat vor Russland schützen. Den Ukrainern wurden sogar knappe 20 Meter irgendeines Drahtzauns gezeigt. Die Regierung versprach, dass daraus Tausende von Kilometern an Verteidigungslinien entstehen würden. Der europäische Schutzwall wurde sieben Jahre lang gebaut, aber nie fertig gestellt. Heute ist Jazenjuks Mauer im ukrainischen Bewusstsein fest mit hemmungslosem Diebstahl, Korruption und Betrug verbunden.
Höchstwahrscheinlich erwartet Selenskyjs neues Schutzwallprojekt die gleiche Zukunft. Alles wird mit einer Pseudo-Demo-Show von Sandsäcken oder eilig ausgehobenen Gräben auf den Strassen enden. Der Bau neuer Festungsanlagen kann nicht mit den Kräften und dem Geld der Ukraine allein realisiert werden.
Ein ukrainischer Beamter scherzte neulich in den sozialen Netzwerken, die Pläne für den Zaun stünden fest, man müsse nur noch die Bretter finden. Worauf gewisse Kiewer Witzbolde bereits geantwortet haben: Wozu braucht ihr Bretter? Ihr seid durchaus in der Lage, aus den Löchern im Zaun Zäune zu bauen.
Viel besser als Mauern und Zäune hochzuziehen, wäre es, wie bereits im Frühjahr 2022 vor allem in Istanbul geschehen und wegen der USA und OK gescheitert, sich an einen gemeinsamen Verhandlungstisch zu setzen und eine vernünftige Lösung insbesondere für die betroffenen Regionen und deren Bevölkerung zu suchen.
Gleiches gilt für Israel-Palästina. Dort ist meine Hoffnung aber kleiner ...
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Dies ist der Newsletter von Marco Caimi, Arzt, Kabarettist, Publizist und Aktivist. Aus Zensurgründen präsentiert er seine Recherchen nebst seinem YouTube-Kanal Caimi Report auf seiner Website marcocaimi.ch. Caimis Newsletter können Sie hier abonnieren.
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