Ich bin zwar anderer Meinung als Sie,
aber ich würde mein Leben dafür geben,
dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.
Voltaire
Liebe Leserinnen und Leser
Vor einigen Jahren verbrachte ich an der britischen Universität Oxford ein Sabbatical. In einem Seminar merkte ich an, dass der damalige Premierminister Tony Blair ein Kriegsverbrecher sei und hinter Gitter gehöre. Das Erstaunen war gross, aber ich bestand darauf, das Gesagte zu begründen.
Anhand der Genfer Konventionen und der Haager Landkriegsordnung zeigte ich also auf, dass der Begriff «Kriegsverbrecher» definiert sei, und man deshalb genau sagen könne, wann und wo Blair gegen das Völkerrecht verstossen habe. Ich bestand darauf, dass man ihn mit Fug und Recht so bezeichnen könne, weil es sich um die Benutzung eines definierten Terminus handle, der durch die Meinungsfreiheit geschützt sei.
Der Seminarleiter versuchte dann möglichst schnell, die Diskussion auf ein anderes Thema zu lenken. Diese Episode zeigt eine Entwicklung an Universitäten, die sich schon lange abgezeichnet, aber in den letzten Jahren beschleunigt hat: Meinungsvielfalt nimmt ab, Konformität wird gefördert, Meinungsfreiheit wird eingeschränkt.
Mir ist es in Oxford damals besser ergangen als der Biologin, die an der Berliner Humboldt-Universität einen Vortrag über die Zweigeschlechtlichkeit halten wollte, der aufgrund von Protesten in sozialen Netzwerken und der Androhung von Demonstrationen abgesagt wurde. Zwar sorgten empörte Reaktionen dann doch dafür, dass er nachgeholt wurde, aber Humboldt hätte sich aufgrund dieses Vorfalls sicher im Grab umgedreht.
Gerade an den Hochschulen hat die politisch aufgeladene «Woke-Kultur» zunehmend Einzug gehalten. Deren Dogmen sind zum Beispiel (die folgende Aufzählung ist keineswegs abschliessend):
- das biologische Geschlecht hat keinerlei Bedeutung
- nur Weisse sind rassistisch
- Sprache ist sexistisch und Männer toxisch
- unsere Gesellschaftsstrukturen sind unterdrückend und ein Machtmittel der weissen männlichen Elite, die Elite bleiben will
Im Schweizerischen Nationalrat forderte SP-Nationalrätin Min Li Marti kürzlich, «Aufrufe zu Hass und Gewalt aufgrund des Geschlechts müssen strafbar werden». Der Nationalrat nahm den Vorstoss an, nun geht das Thema in den Ständerat, das heisst zur Kantonskammer.
Ob diesmal etwas daraus wird, nachdem das Parlament im Jahr 2018 zu Recht entschieden hat, auf die Aufnahme des Begriffs «Geschlecht» ins Strafgesetzbuch zu verzichten, wird sich zeigen. Seither sind keine Veränderungen eingetreten, die diesen Entscheid in Frage stellen.
Diese parlamentarische Initiative geht deshalb eindeutig in die falsche Richtung. Sie gefährdet grundlegende, von der Verfassung geschützte Freiheitsrechte. Aber das ist vermutlich die Idee dahinter.
Sicher, Meinungsfreiheit ist nicht absolut, die Grenzen des Erlaubten sind nicht klar definiert. Menschenverachtende und rassistische Äusserungen oder Aufrufe zu Gewalt sind verboten. Aber wo genau liegt die Grenze und wo beginnt Zensur?
Ich bin dezidiert der Meinung, dass Meinungsfreiheit nur durch das Strafgesetz und das traditionelle Verständnis von Anstand begrenzt werden sollte. Einschränkungen des Diskurses durch selbsternannte Wächter, Schreibverbote, Sprechverbote – und in letzter Konsequenz Denkverbote –widersprechen unserer abendländischen Kultur.
Von einer Meinungsfreiheit, wie sie der zitierte Aufklärer Voltaire im 18. Jahrhundert gefordert hat und wie sie im Westen unter grossen Kämpfen und Opfern eingeführt wurde, waren wir leider seit langem nicht mehr so weit entfernt wie heute.
Herzlich
Daniel Funk
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