Eine Bank lebt von den schlechten Geschäften, die sie unterlässt.
(Hermann Josef Abs)
Liebe Leserinnen und Leser,
In den Neunzigerjahren arbeitete ich für den Schweizerischen Bankverein (SBV). Es handelte sich um eine weltweit tätige Schweizer Bank mit Hauptsitz in Basel.
Es war ein tolles Unternehmen, um sich die Sporen abzuverdienen: offene Unternehmenskultur, klare Strategie, wenig Bürokratie. Eine Macherkultur wehte durch die Bank, wobei diese in den Neunzigerjahren gleichzeitig die Risiken gut im Griff hatte. Man durfte seine Meinung sagen – auch über mehrere Hierarchiestufen hinweg – und man hatte einen Entscheidungsspielraum. Die Arbeit war kein Zuckerschlecken, weil das Personal immer knapp war, denn das Unternehmen war nicht nur «lean» geführt, sondern fast schon magersüchtig. Aber die Arbeit war toll!
Im Mai 1998 gab es erstmals Gerüchte, wonach diese Bank mit der etwas grösseren Schweizerischen Bankgesellschaft fusionieren würde. Die Gerüchte bestätigten sich dann im Dezember.
Wie es dazu kam, beschrieb der letzte Bankverein-CEO Georges Blum in einem schmalen Büchlein. Dieses ist nur in französischer Sprache erschienen. Der Titel «Société de Banque Suisse – Union de Banques Suisses. La vérité et le pourquoi de cette fusion» tönt harmlos, das wenig bekannte Werk enthält aber Sprengstoff.
Ich sagte intern sehr klar – Diplomatie war noch nie meine Stärke -, dass ich das keine gute Idee fand. Beim Bankverein gab es in Basel damals eine Direktionskantine. Man sass mittags um einen Tisch bei gutem Essen und einem Glas Wein, oft in einer anderen Zusammensetzung, und diskutierte. Das grosse Thema im Dezember 1998 war natürlich die Fusion.
Warum ich derart gegen die Fusion mit der Bankgesellschaft sei, wurde ich gefragt. «Ich möchte den Tag nicht erleben, wo diese fusionierte Bank, dieser Koloss, pleite geht,» antwortete ich.
«Diese neue, gut kapitalisierte Superbank kann nicht Konkurs gehen,» antwortete ein Kollege.
«In einer Marktwirtschaft kann alles Konkurs gehen, ausser der Nationalbank. Diese druckt das Geld selber», entgegnete ich.
Zehn Jahre später war es so weit. Ich hatte mich nicht getäuscht. Der Bankverein war eine arme Bank. Sie war nicht übermässig gut kapitalisiert und musste deshalb ihre Risiken sorgfältig managen – was sie nach der Immobilienkrise der späten Achtzigerjahre auch tat. Nur arme Manager sind gute Manager! Die Bankgesellschaft hatte zwar viele risikoreiche Geschäfte getätigt – die entsprechenden Abschreiber musste nach der Fusion die neue UBS tätigen – aber sie hatte eine volle Kriegskasse.
Und nun ging es los. Es war Schluss mit der offenen Unternehmenskultur, zusätzliche Hierarchiestufen wurden eingezogen und die Entscheidfindung wurde immer komplizierter. Gleichzeitig wurde viel, viel Risiko eingegangen. Dem eingangs erwähnten Zitat wurde nicht nachgelebt.
Anfangs ging alles gut. Bis die Märkte einbrachen, die Liquidität austrocknete und nur der Staat helfen konnte. Einen ungeordneten Zusammenbruch der UBS konnte sich die Schweiz nicht leisten – zu viele Unternehmen wären in den Strudel geraten und zu viele Menschen hätten ihr Erspartes verloren.
In der Gestaltung der Rettung war die Schweiz relativ frei. Da unser Land nicht der Eurozone angehört, musste sie sich nicht wie zum Beispiel Irland an die Maastricht regeln halten. Das Konstrukt ging über die Nationalbank, die faule Kredite übernahm und diese abwickelte. Gleichzeitig gab sie der UBS frisches Geld. Sie tat das so geschickt, dass der Schweizer Steuerzahlen nicht nur nichts bezahlte, sondern auch noch ein schönes Scherflein verdiente – als Entgelt für das Risiko, das er eingehen musste.
Aber das Problem blieb. Wir hatten zwei Grossbanken, die nicht pleite gehen durften. Die UBS war ein gebranntes Kind und ist seither nicht mehr mit grossen Verlusten aufgefallen.
Aber nun erwischte es die Credit Suisse (CS). Deren ehemaliger Chef und späterer Deutsche-Bank-CEO Josef Ackerman meint, dass die Weichen schon 1996 falsch gestellt wurden – als er aus Protest ging. Damals wurde das internationale Geschäft den Investmentbankern übergeben.
«Dadurch gab es eine Amerikanisierung der Bank, und es wurde auch die Bonuskultur viel stärker betont. Und dann wollten die damaligen Chefs zu den ganz grossen Investmentbanken in den USA aufschliessen und begannen, grössere Risiken einzugehen», sagt Ackermann.
In den letzten Jahren rissen die Skandale und Verluste nicht ab. Bis anfangs des letzten Jahres. Was dann geschah, beschreibt Ackermann so:
«Kritisch wurde es, als die Krise der amerikanischen Regionalbanken nach Europa überschwappte und sich die Banken nicht mehr so leicht Liquidität beschaffen konnten. Das führte dazu, dass Kunden aufgrund von negativen Medienberichten zum Handy gegriffen haben und ihr Geld zu einer anderen Bank transferiert haben.»
Damit war faktisch auch die CS Konkurs. Wir haben hier, hier und hier darüber berichtet. An einem Wochenende im März 2023 wurde die kranke CS und die gesunde UBS dann vom Schweizer Staat zur Zwangsehe verknurrt. Im Moment ist die Aufarbeitung im Gange und die UBS ist daran, die CS zu integrieren und zu verdauen.
Was bleibt ist die Feststellung, dass die «too big to fail»-Regeln nicht funktioniert haben. Eine geordnete Abwicklung wurde aufgrund der Risiken nicht einmal in Erwägung gezogen.
Die Schweiz hat nun eine im Verhältnis zur Landesgrösse noch grössere und wichtigere Bank. Sollte auch diese dereinst wackeln, gibt es nur noch die Optionen Notverkauf ins Ausland, Verstaatlichung, Kapitalisierung über die Nationalbank («lender of last resort») oder einen sogenannten bail-in. Es gibt Anleihen, die unter bestimmten Bedingungen in Aktien gewandelt werden und so das Eigenkapital einer Bank stützen, eine Art Zwangs-Wandelanleihen. In diesem Zusammenhang schrieb die Landesregierung schon beim CS-Notverkauf sogenannte AT-1-Bonds für 16 Milliarden Franken auf null ab. Auch eine Mischung dieser Instrumente ist denkbar.
Würde die vergrösserte UBS wackeln, dann wäre der Sanierungsfall aber wieder eine Schuhnummer grösser.
Der grosse Fehler wurde – dessen bin ich überzeugt – 1998 gemacht. Die Bankverein-UBS-Fusion hätte man nie durchwirken dürften. Dann wäre uns nämlich nebst der UBS-Pleite vielleicht auch der Swissair-Konkurs erspart geblieben. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Herzlich,
Daniel Funk
***********************
Hinweise:
Herzlichen Dank an alle, die Transition News treu unterstützen und damit unsere Arbeit und Unabhängigkeit erst ermöglichen!
***********************
Transition News-Jahrbuch 2023
Es freut uns sehr, mitteilen zu dürfen, dass unser neues Jahrbuch 2023 erschienen ist. Der Versand wird in etwa einer Woche beginnen. Diesmal ist das umfassende Thema die Spaltung der Gesellschaft und wie sich diese überwinden lässt.
Wie das letzte, besteht das Buch aus einer Sammlung der besten Beiträge von Transition News aus dem vergangenen Jahr. Hinzu kommen Gastbeiträge von bekannten Autoren, darunter Milosz Matuschek, Christian Kreiß, Ernst Wolff und Christoph Pfluger. Zu den untergeordneten Themen gehören Krieg, Corona, Wirtschaft, Klima, künstliche Intelligenz und die Gender-Ideologie.
Unser Jahrbuch werden wir wieder zum Verkauf anbieten. Als Geschenk werden es Grossspender und diejenigen erhalten, die ein Spenden-Abo lösen.
***********************
Hier finden Sie unsere neuen Podcasts.
***********************
Transition TV, Sendung vom 20. Januar: «Frieden», Chancen und Eskalation
Inhalt:
???? Inhaltsübersicht (02:05)
???? Schweizer Ukraine-Friedenskonferenz – eine Totgeburt? (03:47)
???? Referendum Mantelerlass: Wie ist die Abstimmung zu gewinnen? (07:21)
???? Bündnis Sahra Wagenknecht: Chancen und Gefahren (10:37)
???? Genozid-Verfahren vor dem Int. Gerichtshof: Entscheidet eine Formalität? (15:07)
???? Kleinkrieg im Roten Meer: könnte gross werden (22:14)
???? Gelingt dem WEF der Rückgewinn des Vertrauens – Analyse von Peter König (26:06)
???? Kommt es Mitte Februar zur grossen Eskalation? Astrologe Roland Jakubowitz sagt Ja, (40:19)
Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
Sie finden uns auf folgenden Kanälen und Plattformen:
Telegram│Rumble│Facebook│YouTube
***********************
Intelligent – kann Maschine Mensch sein? Ausgabe 175 des Zeitpunkt
Der Mensch hat eine Tendenz, sich als biologische Maschine zu sehen und «intelligenten» Maschinen menschliche Züge zuzuschreiben. Die damit verbundene Abwertung des Menschlichen ist die Hauptgefahr der künstlichen Intelligenz. Diese Ausgabe zeigt, wie wir diesen Gefahren begegnen und wo die Chancen der KI liegen.
***********************
«DIE FREIEN» – Unsere zehnte Ausgabe ist da!
Unter dem funkelnden Motto «Erleuchtung – ob du wirklich richtig stehst ...» erleuchten wir die dunkle Jahreszeit mit Geschichten über Licht und Schatten, Feuer und Feiern, Blendwerk und Illuminaten, Leuchttürme im Sturm und Funken der Freiheit.
In dieser besonderen Ausgabe mit dabei: Eugen Drewermann, Jasmin Kosubek, Andreas Thiel, Janet Ossebaard, Cyntha Koeter, Egon Fischer, Alex Baur, Lisa Fitz, Prof. Dr. Stefan Hockertz, Ronald Steckel, Arthur Tränkle, Sylvie-Sophie Schindler, Paul Rosenberg, Daniel Stricker und viele mehr.
Feiern Sie mit uns diese runde Ausgabe und bestellen Sie gleich hier.
***********************