Wir glauben nicht an die Meinungsfreiheit,
wenn wir sie nicht auch den Leuten zugestehen,
die wir verachten.
Noam Chomsky
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Die Energiepolitik der Schweizer Regierung bringt die Gemüter zum Kochen. Für Letzteres könnte die Energie bald zu knapp werden, so lauten einzelne Horrorprognosen. Angst und Schrecken zu verbreiten, gehört nach wie vor zum Courant normal.
Die Argumente sind bekannt. Schuld am gegenwärtigen Debakel sind immer die Anderen: «Die Befürworter der Energiestrategie 2050 haben blind auf den Ausbau der erneuerbaren Energie gesetzt, ohne sich Gedanken zu machen, wie der Atomstrom ersetzt werden kann», meinte SVP-Präsident Marco Chiesa und schiesst dabei in erster Linie gegen links.
Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP, ist wiederum der Meinung, dass das Gegenteil der Fall sei: Schuld an der jetzigen Lage sei die SVP, die seit Jahrzehnten den Ausbau erneuerbarer Energien wie Wasserkraft und Photovoltaik blockiere.
Die beiden wählerstärksten Schweizer Parteien fetzen sich zwar gerne. Fakt ist aber auch: Sie haben mehr gemein, als ihnen lieb ist: Beide Parteien betrachten sich gerne als Vertreter der «einfachen» Bürger und des Mittelstandes – in Tat und Wahrheit sind sie es aber nicht. In entscheidenden Fragen politisieren sowohl SP als auch SVP oftmals meilenweit weg von den Interessen der breiten Masse. Stichwort: Corona-Politik.
Der Streit mag für politische Beobachter interessant sein; doch die Arbeiter und die breite Bevölkerung haben nichts davon. Sie wollen genügend Strom, und im Winter eine Heizung. Die Bürger möchten, dass ihr Geld nicht permanent noch stärker entwertet wird. Kurz gesagt: Sie wollen nicht von der Hand in den Mund, sondern zumindest würdevoll leben.
Doch die Realität ist anders: Stattdessen werden Gewerbetreibende, Kleinunternehmer, Arbeiter und Mittelstand von einer Krise in die nächste gerissen. Gestern das Corona-Regime, heute steht das Energie-Regime vor der Tür.
Und wehe dem, der sich noch getraut, die Energiepolitik scharf zu kritisieren: der bekommt «eins aufs Maul». So geschehen bei SVP-Nationalrat Christian Imark, der im Parlament jüngst SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga für die Energiekrise verantwortlich machte.
Imark warnte die Bundesrätin, dass bei Anwendung der von ihr prognostizierten Notfallszenarien die Leute bald auf die Strasse gehen und weit mehr fordern werden als bloss ihren Rücktritt. Zu viel des Guten.
Von der FDP bis zur SP und den Grünen schäumten Politiker. Allgemeiner Konsens: Imark sei einen Schritt zu weit gegangen. «Es gibt Grenzen des Sagbaren, auch in einer Demokratie», twitterte Wermuth. Die SVP habe eine «Grenze überschritten». Meinungsfreiheit? Fehl am Platz.
Man empört sich in Bern nicht über die Regierung, welche die Bürger mit Drohungen und Strafen zu gängeln beabsichtigt, sondern über die Kritiker. Wer im kommenden Winter mit Temperaturen von über 19 Grad Celsius heizt, für den wird es «heiss» werden. Geldstrafen und Gefängnis bis zu 180 Tagen sind möglich (mehr dazu hier). Doch das scheinen Lappalien zu sein für die Politiker.
Den anmassenden Staat, der einmal bis in die Körpersäfte und dann wieder bis ins Wohnzimmer hineinregiert, scheint man weitgehend akzeptiert zu haben. Willkommen in der Schweiz im Jahr 2022!
Herzlichst
Rafael Lutz
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