Eine zunehmend multipolare Welt
erfordert eine völlig andere Art der US-Aussenpolitik:
Weit davon entfernt, unilateralistisch zu sein,
erfordert sie eine komplexe Form der Machtteilung
sowohl auf globaler als auch auf regionaler Ebene.
Martin Jacques
Liebe Leserinnen und Leser
«Die gefährlichste Person der Welt» nannte Pressenza Victoria Nuland. Seit dem 29. Juli 2023 ist sie US-Vizeaussenministerin. Das Portal listet ihren politischen Einfluss ab 2003 auf.
So spielte Nuland beispielsweise eine entscheidende Rolle bei der Planung der US-Invasion des Iraks im Jahre 2003. Und als US-Botschafterin bei der NATO leitete sie von 2005 bis 2008 die Bemühungen um die Mobilisierung europäischer Unterstützung für die Intervention des Bündnisses in Afghanistan.
Einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichte Nuland im Jahre 2014, als sie massgeblich zum Sturz der demokratisch gewählten ukrainischen Regierung beitrug. Im Rahmen dieses Putsches fielen auch ihre berüchtigten Worte «fuck the EU».
Nuland ist allerdings nicht nur selbst ein Falke, sie ist auch mit einem verheiratet. Ihr Ehemann ist nämlich Robert Kagan, Mitbegründer der einflussreichen neokonservativen Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC).
Dass Nuland letzte Woche nun in Niger war, ist vor diesem Hintergrund kein gutes Omen. In dem Land fand am 26. Juli ein Coup der Präsidentengarde statt. Seither bemühen sich die Staaten der Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS sowie der Westen darum, dass die Junta den entmachteten und inhaftierten Präsidenten Mohamed Bazoum freilässt und wieder einsetzt.
ECOWAS hatte sogar mit einer militärischen intervention gedroht. Mali und Burkina Faso taten hingegen ihre Unterstützung der Putsch-Regierung kund (wir berichteten). Dem schloss sich Guinea an.
Der Unmut westlicher Länder überrascht nicht, denn es geht ihnen dabei um ihre neokolonialen Interessen. Insbesondere ist da der Uranabbau französischer Unternehmen zu erwähnen.
Doch auch chinesische Firmen beteiligen sich am Abbau des für Nuklearenergie und -waffen verwendeten Metalls. Im Gegensatz zu Frankreich hat China allerdings im Niger keine Truppen stationiert, um seine Interessen durchzusetzen. Neben denen aus Frankreich befinden sich auch Soldaten aus Deutschland, Italien, der EU und den USA in dem Land.
Nach dem Putsch stürmten Demonstranten in der nigrischen Hauptstadt Niamey die französische Botschaft. Und an Kundgebungen wurden französische Flaggen verbrannt und russische geschwenkt. Derweil hatte der Anführer der paramilitärischen russischen Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, die Junta in einer Sprachnachricht auf Telegram aufgefordert, «uns anzurufen».
Die Putschisten in Niger verweigerten Nuland während ihres Besuchs jedenfalls ein Treffen mit dem gestürzten Präsidenten, wie Politico berichtete. «Sie waren sich ziemlich sicher, wie sie vorgehen wollen», erklärte die US-Vizeaussenministerin. Sie drohte der Junta mit der Einstellung der meisten US-amerikanischen Hilfen, insbesondere der Militärhilfe.
Solche Drohungen scheinen die Verantwortlichen für den Staatsstreich nicht zu kümmern: Gestern teilten sie mit, dass sie den gestürzten Präsidenten wegen Hochverrats zur Rechenschaft ziehen wollen. Sie hätten nun die nötigen Beweise gesammelt, um ihn «vor kompetenten nationalen und internationalen Instanzen zu verfolgen», lässt der Spiegel mit Bezug auf eine Erklärung wissen.
Der Coup könnte auch Auswirkungen auf den Flüchtlingsstrom Richtung Europa haben, denn seit 2014 bezahlt die EU den Niger für das Sperren der Fluchtroute.
Das alles weist auf die geopolitische Ebene und auf globale wirtschaftliche Faktoren des Umsturzes in Niger hin. Sie bergen die Gefahr eines grösseren Krieges in sich und reflektieren sich auch im Krieg in der Ukraine sowie im Konflikt um Taiwan – Ereignisse, welche die gegenwärtige «geopolitische tektonische Verschiebung» von einer uni- zu einer multipolaren Welt zum Ausdruck bringen.
Wie blutig diese Verschiebung sein und welche Auswirkungen sie auf die Weltwirtschaft haben wird, werden wir sehen.
Herzlich
Konstantin Demeter
[email protected]
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Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
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