Der muss viel wissen,
der andere lehren soll,
mit wenig Wissen
weise zu sein.
Immanuel Kant
Liebe Leserinnen und Leser
Es gibt die Legende vom «unprovozierten Krieg» Russlands gegen die Ukraine. Sie wird von westlichen Medien und Politikern erzählt und viele glauben sie.
Sie wird auch deshalb geglaubt, weil ihre Erzähler die Vorgeschichte meist weglassen. Zu dieser gehört nicht nur die Entwicklung des Konfliktes in und um die Ukraine spätestens seit 2013/14.
Dazu zählt ebenso das Weglassen der russischen Bemühungen um eine politische Lösung des Konfliktes – bis hin zu den russisch-ukrainischen Verhandlungen im Frühjahr 2022. Der mögliche Abschluss in Istanbul für ein schnelles Kriegsende und eine Friedenslösung wurde nach allen vorliegenden Informationen von den führenden Kräften des Westens verhindert.
Die hatten im Dezember 2021 russische Vorschläge auf den Tisch bekommen, um die grundsätzlichen Probleme des Konfliktes endlich zu lösen. Diese wurden ignoriert – dabei hatte Russlands Präsident Wladimir Putin für diesen Fall eine «militärisch-technische Operation» angekündigt, um die russischen Sicherheitsinteressen durchzusetzen.
Was im Februar 2022 folgte, war wie gesagt angeblich «unprovoziert». Dabei wussten anscheinend alle, dass es zum Krieg kommt, wenn keine Lösung gefunden wird.
Auf einen Beleg dafür machte mich dieser Tage ein Politikwissenschaftler mit umfangreichen Erfahrungen und Kontakten aufmerksam: Am 4. Januar 2022 haben die Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, zugleich die fünf grössten Atomwaffenmächte, vor dem Einsatz von Atomwaffen gewarnt.
In einer gemeinsamen Erklärung der USA, Russlands, Grossbritanniens, Frankreichs und China heisst es, ein Atomkrieg «kann nicht gewonnen und darf nie geführt werden». Da der Gebrauch von Nuklearwaffen weitreichende Konsequenzen hätte, dürften diese Waffen, «solange sie noch existieren», einzig «Verteidigungszwecken, der Abschreckung von Aggressoren und der Verhinderung von Krieg» dienen.
«Wir glauben zutiefst, dass eine weitere Ausbreitung solcher Waffen verhindert werden muss», erklärten die Unterzeichner. Das geschah kurz vor einer Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags in New York.
Aus Sicht des Politikwissenschaftlers steht das aber im Zusammenhang mit dem Stellvertreterkrieg des US-geführten Westens gegen Russland auf ukrainischem Boden. Seitdem dieser massiv geführt wird, wird immer wieder vor der Eskalation hin zu einem Krieg mit Atomwaffen zwischen Nato und Russland gewarnt.
Zugleich gibt es immer wieder Hinweise, dass beide Seiten, also die Nato-Führungsmacht USA und Russland, alles dafür tun, dass es nicht zu einer direkten Konfrontation kommt. Eine solche hätte mutmasslich massive russische Gegenschläge auf westliches Territorium zur Folge, im schlimmsten Fall auch mit Atomwaffen.
Ein russischer nuklearer Gegenschlag auf US-Territorium ist das, was in Washington am meisten gefürchtet wird. Das war schon im Kalten Krieg zwischen West und Ost so und war oberste Maxime bei allen Nato-Kriegsspielen.
Das war selbst so, wenn ein begrenzter Nuklearkrieg in Europa durchgespielt wurde. Dabei wurde immer darauf geachtet, dass das sowjetische Territorium nicht getroffen wird, wie der einstige DDR-Kundschafter bei der Nato, Rainer Rupp, im März 2023 auf einer Friedenskonferenz in Berlin berichtete.
Nun hat dieses Wissen und die gemeinsame Erklärung den Krieg in der Ukraine nicht verhindert. Es hinderte jene Kräfte im Westen nicht, die Kiew in der Hand haben, ihn zu provozieren. Vielleicht erleichterte diese Absicherung Moskau die Entscheidung, von der Drohung zu Taten überzugehen. Zugleich scheint sie dem Westen bei seiner fortgesetzten Eskalation des Krieges durch immer neue Waffenlieferungen an Kiew die Angst vor den Folgen zu nehmen.
Damit dürfte auch klar sein, warum die deutsche Bundesregierung die von Kiew gewünschten «Taurus»-Marschflugkörper nicht liefert: Nicht aus Vernunft, sondern weil Washington hier ein Stopp-Schild aufgestellt hat. Diese Waffen könnten nicht nur strategische Ziele in Russland erreichen, wie etwa Flugplätze für atomwaffentragende Bomber oder politische Entscheidungszentren.
Sie könnten Informationen zufolge auch atomare Sprengköpfe tragen. Und der Kiewer Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte im Februar 2022 auf der Münchner Sicherheitskonferenz indirekt Atomwaffen für die Ukraine ins Spiel gebracht. Er bezog sich dabei auf das «Budapester Memorandum» von 1994, in dessen Folge alle einstigen sowjetischen Atomwaffen auf ukrainischem Territorium gegen Sicherheitsgarantien abgegeben wurden. Schon 2021 hatte Berichten nach Kiew der Nato gedroht, wieder Atomwaffen anzuschaffen, falls die Ukraine nicht als Mitglied aufgenommen wird.
Dazu gehört auch, was der Chef der internationale Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, im Mai 2022 erklärte. Er verwies darauf, dass im ukrainischen Atomkraftwerk (AKW) Saporischja, dem grössten in Europa, 30 Tonnen Plutonium und 40 Tonnen angereichertes Uran lagerten – den Grund dafür nannte er nicht.
Das ist genug Stoff auch für Atombomben – wofür brauchte die Ukraine das? Das AKW wurde bereits im März 2022 von russischen Truppen besetzt und ist seitdem unter russischer Kontrolle. Es wird Berichten nach immer wieder von ukrainischer Seite angegriffen.
Ob alles so ist, wie der Politikwissenschaftler mir erklärte, weiss ich nicht. Die zeitlichen Abläufe deuten daraufhin, dass es so sein könnte und es eine Menge Vorwissen auf allen Seiten gab.
Die Frage, was es uns nutzt, das zu wissen, kann ich nur so beantworten: Wir können damit besser verstehen, was vor sich geht. Dazu tragen hoffentlich auch die Beiträge von Transition News bei, die meine Kolleginnen und Kollegen und ich auch zu anderen Themen verfassen.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende sowie Wissensgewinn und Lesespass!
Tilo Gräser
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