Mit kleinen Jungen und Journalisten soll man vorsichtig sein.
Die schmeissen immer noch einen Stein hinterher.
Konrad Adenauer
Liebe Leserinnen und Leser
«Schweizer Medien so gut wie lange nicht», titelte diese Woche der Teletext bei SRF1, dem ersten deutschsprachigen Fernsehprogramm der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG).
Beigetragen dazu hätten vor allem die Behandlung der Themen Corona und Ukrainekrieg. Dabei hätten die Medien in der Schweiz Einordnung geliefert. Ist das wirklich so? Sind die Schweizer Medien so gut?
Der Teletext-Bericht stützt sich auf das «Jahrbuch Qualität der Medien», das vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Universität Zürich (fög) in der vergangenen Woche präsentiert wurde.
Erste Zweifel kommen, wenn man den letzten Abschnitt des Teletext-Artikels liest. Zugenommen habe, heisst es, auch «die Zahl der Menschen, die sich nicht für Nachrichten interessieren. 43% der Bevölkerung seien es, die kaum noch News hören, lesen oder schauen».
Heute hat die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) einen ausführlichen Leitartikel von Chefredakteur Eric Gujer über die «Doppelmoral im Gazakrieg» ins Blatt gerückt. Der Journalist zeigt darin anschaulich, dass man nicht gleichzeitig Israel das Recht auf Selbstverteidigung absprechen und im Fall der Ukraine darauf pochen kann.
Gujers Analyse ist brilliant. In einem Abschnitt erwähnt er, dass hinter der Terrororganisation Hamas der Iran steckt und dass dieses Land in der Region vier andere Länder beherrscht. Der Irak ist eines der vier Länder, wo der Iran Einheiten stationiert hat. In diesem Zusammenhang konzediert Gujer in einem Nebensatz, dass der Irakkrieg ein Fehler des Westens war. Er sagt aber nicht, dass auch sein Blatt beim völkerrechtswidrigen Angriff der USA und der «Koalition der Willigen» im Frühjahr 2003 auf der Titelseite zur Unterstützung eben dieses völkerrechtswidrigen Angriffs aufgerufen hat. Die Fehlleistung seiner eigenen Zeitung benennt er also nicht.
Das zeigt: Journalisten (und die Leitmedien im Allgemeinen) geben praktisch nie einen Fehler zu. Auch wenn es sich wie hier um eine krasse Fehlleistung handelt. Sie halten es mit dem eingangs zitierten ehemaligen westdeutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer: «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.»
In einem Beitrag für das Portal Infosperber erklärte der Journalist Helmut Scheben, dass Nachrichten, die sich später als falsch erweisen, sich in der Erinnerung der Menschen oft schon als «historische Wahrheit» eingebrannt haben. Die Medien verbreiten zudem die ewige Seifenoper britischer Royals und verpassen uns die tägliche obligatorische Dosis an LGBTQ-, Gender- und Me-Too-Problemen.
Scheben zeigte an Beispielen, dass die Leitmedien die wirklichen Probleme der meisten Menschen, der Krieg in der Ukraine, der eskalierende Konflikt zwischen USA und China – also Vorgänge, die das Leben von Millionen Steuerzahlern derzeit verändern und künftige Generationen belasten (Aufrüstung, Inflation, Energiepolitik, Sanktionspolitik, Asylwesen etc.) – aus einem derart reduzierten und einseitigen Blickwinkel darstellen, dass es schon an Realitätsverweigerung grenzt. Aktuell könnte man den Krieg in Gaza noch hinzufügen.
Man müsste auch die Berichterstattung über die «Pandemie» und die «Impfung» in diese Kategorie einordnen, bei der es in der Schweiz eine praktisch institutionalisierte Kommunikationslinie zwischen dem federführenden Innendepartement und einem führenden Zeitungsverlag gab.
In den 1980ern gab es in der Schweiz noch die sogenannte «innere Pressefreiheit». Das heisst: Die Verlagsleitung mischte sich kaum in die tägliche Arbeit der Redaktionen ein. Diese waren im Rahmen des Redaktionsstatuts in ihrer Arbeit praktisch frei. Die Zeitungen finanzierten sich zu mehr als zwei Dritteln durch Inserate, was ihnen ein recht sorgenfreies Leben ermöglichte.
Heute beherrschen die grossen Plattformen wie Tamedia die elektronischen Werbekanäle für zum Beispiel Immobilien, Jobs oder Autos. Und diese Plattformen werden von den Profit-Centers geführt, die von den Zeitungen getrennt sind. Das bedeutet: Die Werbung, die im Internet stattfindet, wird zu einem grossen Teil als Gewinn an den Verlag und an dessen Besitzer abgeführt – die Zeitungen profitieren nur noch zu einem geringen Teil davon.
Das führt nicht zuletzt zu Pressekonzentration und zu einem redaktionellen Einheitsbrei. Nach vielen Entlassungswellen bleibt von der «inneren Pressefreiheit» kaum mehr etwas übrig. Jede Journalistin und jeder Journalist weiss, was von ihr oder ihm erwartet wird – und welche Linie man bei einem bestimmten Thema einnehmen sollte. Die Meinungsvielfalt, die zum Beispiel die Weltwoche auszeichnet, stellt im deutschsprachigen Raum eine einzigartige und löbliche Ausnahme dar.
Scheben zitiert den Medientheoretiker Walter Lippmann, der schon 1920 in seinem Buch «Liberty and the News» schrieb:
«Die Zeitungsspalten sind öffentliche Informationsträger. Wenn diejenigen, die sie kontrollieren, sich das Recht herausnehmen, zu bestimmen, was zu welchem Zweck berichtet werden soll, dann kommt der demokratische Prozess zum Erliegen.»
In der Schweiz sind wir noch nicht so weit. Wir müssen aber aufpassen, dass es nicht so weit kommt. Wir von Transition News tun deshalb täglich unser Bestes.
Herzlich
Daniel Funk