In Kriegszeiten ist die Wahrheit so kostbar,
dass sie immer von einem Leibwächter der Lüge
begleitet werden sollte.
Winston Churchill
Liebe Leserinnen und Leser
Gestern wurden wieder zwei getötet. Sie reihen sich ein in die Liste Dutzender palästinensischer Journalisten, die seit dem 7. Oktober von den israelischen Streitkräften (IDF) umgebracht wurden. Je nach Quelle sind es zwischen 72 und 109. So oder so sind es zu viele – schon einer ist zu viel.
Bei den beiden letzten Opfern handelt es sich um Hamza Dahdouh, 27, und Mustafa Thuraya, ebenfalls in seinen 20ern. Das Fahrzeug, in dem sie unterwegs waren, wurde am Sonntag in einem vermeintlich sicheren Gebiet im südlichen Gazastreifen von einer israelische Rakete getroffen. Ein dritter Passagier, Hazem Rajab, wurde schwer verletzt. Nach Berichten von Al Jazeera-Korrespondenten wollten die beiden Journalisten Zivilisten befragen, die durch frühere Bombardierungen vertrieben worden waren.
Hamza war der älteste Sohn des Leiters des Gaza-Büros von Al Jazeera, Wael Dahdouh. Und leider ist er nicht das erste Familienmitglied Waels, das seit dem 7. Oktober von den IDF getötet wurde. Am 25. Oktober wurde nämlich das Haus im Flüchtlingslager Nuseirat getroffen, in dem seine Familie untergebracht war. Dabei kamen seine Mutter Amna, sein Bruder Mahmoud, 15, seine Schwester Sham, 7, und sein Neffe Adam, 1, ums Leben.
Seit drei Monaten bombardiert Israel den Gazastreifen. Somit starb dort an jedem der letzten 92 Tage durchschnittlich etwa ein Journalist. Das Committee to Protect Journalists (CPJ) erfasst seit 1992 weltweit Berichte über getötete, verletzte oder vermisste Journalisten und Medienmitarbeiter. Und laut der US-amerikanischen NGO ist der gegenwärtige Krieg in Gaza die «tödlichste Zeit für Journalisten seit Beginn der Datenerfassung».
Schrecklich sind nicht nur diese Tötungen, sondern auch die Reaktion des Westens darauf. Von den rhetorischen Hütern der Meinungsfreiheit kommen nur leere Worte, wie vom US-Aussenminister Antony Blinken an der gestrigen Pressekonferenz im Rahmen seines Besuchs in Doha.
Die getöteten Journalisten sind jedoch nur ein Teil der Tragödie. Hinzu kommen die zahlreichen verletzten Journalisten. Hunderte haben ausserdem Angehörige verloren und die meisten ihr Zuhause. Und alle leiden unter den katastrophalen humanitären Bedingungen im Gazastreifen.
Selbstverständlich sind palästinensische Journalisten nicht erst seit dem 7. Oktober im Visier Israels. Und Repressalien gegen sie scheinen zur Strategie zu gehören. So haben The Intercept zufolge israelische Sicherheitskräfte palästinensische Journalisten verhaftet, verhört und sie dann mit erfundenen Anklagen belegt. Von Anfang 2020 bis Anfang April 2022, als der Bericht erschien, seien mindestens 26 palästinensische Journalisten im Westjordanland inhaftiert worden.
Das Risiko, umgebracht oder verhaftet zu werden, führt zudem dazu, dass manche palästinensische Journalisten ihre Berichterstattung vor Ort einstellen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass derzeit keine internationalen Reporter in den Gazastreifen einreisen dürfen. Die palästinensischen Journalisten dort sind somit die einzige Quelle für direkte Nachrichten über diesen Krieg. Ausserdem kontrolliert Israel die Kommunikation in und aus dem Gazastreifen und kann sie jederzeit unterbrechen, was es auch mehrmals getan hat.
Israel streitet die absichtliche Tötung von Journalisten natürlich ab. Ende Oktober 2023 teilten die IDF den Nachrichtenagenturen Reuters und Agence France Press allerdings mit, dass sie die Sicherheit ihrer im Gazastreifen tätigen Journalisten nicht garantieren könnten. Die beiden Presseagenturen hatten um die Zusicherung gebeten, dass ihre Journalisten nicht von israelischen Angriffen betroffen sein würden. Die zahlreichen gezielten Angriffe auf Journalisten und deren Familien lassen jedenfalls Absicht vermuten.
Was Hamza Al Dahdouh und Mustafa Thuraya betrifft, fordert das CPJ dann auch eine Untersuchung, um zu ermitteln, ob die Journalisten Ziel des Anschlags waren.
Zu wünschen ist, dass der Westen diesem inakzeptablen Angriff auf Zivilisten – mit laut der Gesundheitsbehörde in Gaza insgesamt fast 23’000 Todesopfern – und auf die Pressefreiheit nicht nur mit leeren Worten begegnet. Ein Wunsch, der vermutlich leider unerfüllt bleiben wird. Denn wie so oft spiegelt sich die viel gepriesene «Diversität» auch in der Moral wider: Tote – und lebende – Journalisten sind mehr oder weniger wert, je nachdem was und wie sie berichten.
Herzlich
Konstantin Demeter
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