«Neutralität gehört ins Mausoleum»
Günther Baechler, Schweizer Diplomat, an der «Impulstagung zur Neutralitätspolitik – Was auf dem Spiel steht» in Bern am 18. Mai 2025
Liebe Leserinnen und Leser
Am Sonntag war ich an der «Impulstagung zur Neutralitätspolitik – Was auf dem Spiel steht» des Schweizerischen Friedensrates in Bern. Ich habe hier darüber berichtet. Einige Dinge waren ungewöhnlich.
Der Hintergrund ist die Neutralitätsinitiative, über die in der Schweiz Volk und Stände wohl in der ersten Hälfte des Jahres 2026 abstimmen werden.
Was auffiel, war die aufwändige Gestaltung der Website der Tagung. Das hat Geld gekostet und übersteigt mutmaßlich die Möglichkeiten des für die Organisation zeichnenden Schweizerischen Friedensrates.
Auffällig war auch, dass im Vorfeld Personen, offenbar Befürwortern der Initiative, die Teilnahme verweigert wurde. Bei den meisten Personen ließ sich dies dann klären und ich verstand, dass die Verantwortlichen tatsächlich Angst vor Ausschreitungen hatten.
Offenbar hat die Tagung nicht die großen Erwartungen eingelöst, welche die aufwendige Website versprach, denn der Besucheraufmarsch im gediegenen Saal des bernischen historischen Museums war bescheiden.
War es das schöne Wetter? Oder war es die einseitige Zusammensetzung? Die Tagung war trotzdem hoch spannend, sie zeigte, dass es große Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Neutralität gibt – auch unter den Gegnern der Initiative.
Es gibt in der Bundesverwaltung und in der Zivilgesellschaft eine Strömung, die die Neutralität als obsolet erachtet. Auf der anderen Seite gibt es die Meinung, dass die Neutralität sinnvoll ist, sich auf das in der Haager Landkriegsordnung kodifizierte Völkerrecht abstützt, man aber in der Neutralitätspolitik flexibel bleiben sollte. Und drittens gibt es die Initianten der Neutralitätsinitiative (hier ist der Wortlaut), die die Schweizer Neutralität stärker in der Bundesverfassung verankern und in der Neutralitätspolitik zusätzliche Leitplanken festlegen möchten.
Ich selber plädiere für Annahme der Initiative und setze mich im Rahmen der Bewegung für Neutralität bene.swiss für die Annahme dieser Volksinitiative ein. Falls im nächsten Jahr an der Urne eine Mehrheit der Stimmenden und der Kantone zustimmt, dann erlangt der Initiativtext Gesetzeskraft – auch gegen den Willen von Parlament und Regierung (in der Schweiz der Bundesrat).
Man kann die Veranstaltung mit Fug und Recht als Mogelpackung bezeichnen, weil die Website und Einladung als Diskussionsforum daherkam, aber keine einzige Person eingeladen wurde, die die Initiative befürwortet. In Tat und Wahrheit war es eine Veranstaltung gegen die Initiative. Das wird auch dadurch klar, dass am Schluss der Referate keine Publikumsvoten zugelassen wurden. Es zeigt sich auch daran, dass die Moderation der vier Gesprächstische am Nachmittag ausnahmslos mit Vertretern des Think Tanks Foraus zusammengesetzt war.
Foraus wird unter anderem von Pfizer, Novarits, Axpo, SwissRe, Google und EY finanziert. Exponenten von Foraus haben 2014 im Vorfeld der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative die Operation Libero gegründet. Die Website der Tagung gleicht derjenigen der Operation Libero, deren Co-Präsidentin an einem der Gesprächstische am Nachmittag teilnahm.
Damit schließt sich der Kreis und es wird klar, von wo die Gegner der Neutralitätsinitiative kommen. Die Gegner der Initiative sollten bedenken, dass es unser gemeinsames Ziel sein sollte, dass wir uns nach der Abstimmung wieder die Hand geben und in die Augen schauen können, dass wir also vermeiden, dass wie bei Corona ein Riss durch die Schweiz geht.
Das geht, wenn wir dem in der Schweiz bewährten Grundsatz «audiatur et altera pars» nachleben, wenn wir also zivilisiert, aber auch kontradiktorisch diskutieren. Es sollte deshalb nicht – wie am Sonntag geschehen – der Versuch unternommen werden, die Argumente der Befürworter totzuschweigen und diese von Podien und damit von der öffentlichen Diskussion auszusperren.
Bleiben Sie uns, geneigte Leserin, geneigter Leser, gewogen!
Daniel Funk
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