So bestehet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat,
und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen.
(Galaterbrief, Kapitel 5)
Liebe Leserinnen und Leser
Das neue Jahr naht, und es kommt die Zeit der guten Vorsätze. Ich will heute aber nicht über Vorsätze sprechen, die sich, kaum ist der erste Monat durch, in Luft auflösen. Es ist zum Beispiel bekannt, dass der Absatz von Fitness-Abos im Januar steigt, sich dann aber schnell wieder auf dem üblichen Niveau einpendelt.
Ich will von Vorsätzen reden, die die Spaltung unserer Gesellschaft überwinden oder Wunden aus der Coronazeit heilen könnten. Eine Möglichkeit wäre, Fehler einzuräumen. Die eine oder andere handelnde Person oder Institution könnte sich zum Beispiel als guten Neujahrsvorsatz vornehmen, das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren.
Kurz nach Weihnachten denke ich auch an die Kirchen. Mir fiel während der Coronazeit besonders die reformierte Kirche der Schweiz auf. Diese hat sich in der Vergangenheit zu allen möglichen und unmöglichen politischen Entwicklungen geäussert. Fahnen von Kirchtürmen haben zum Beispiel zur Annahme der Konzernverantwortungsinitiative aufgerufen. Damit hatten die Kirchen bei einem umstrittenen Volksentscheid eine explizite politische Handlungsempfehlung abgegeben und waren durchaus sehr sichtbar.
Zu den Coronamassnahmen hörte man von der reformierten Kirche nichts. Dröhnendes Schweigen. Bei der Zertifikatspflicht hatte sie sich anfänglich gegen diese Massnahme ausgesprochen. Die entsprechende Stellungnahme musste man aber mit der Lupe suchen. Als die Zertifikatspflicht kam, akzeptierten die Kirchen diese einschneidende Regelung dann aber. Nur bis 50 Personen konnten ohne diesen Nachweis eingelassen werden; darüberhinaus galt Zertifikatspflicht.
Die Kirchen akzeptierten auch, dass sie zeitweise keine sterbenden Menschen in Spitälern und Altersheimen mehr besuchen durften. Und sie nahmen es hin, dass ihre Pforten schliessen mussten, obwohl verunsicherte Menschen gerade in dieser Zeit einen Seelsorger gebraucht hätten. Hinter den Kulissen konnten sie zwar eine gegenüber der Gastronomie privilegierte Behandlung erreichen, aber die Diskriminierung von Menschen per Zertifikat akzeptierten sie trotzdem.
Ich schrieb dann an eine Kirchgemeinde in meiner Nähe, die sich für diese Zertifikatspflicht entschieden hatte:
«Ich sehe nicht, wie ein solcher Entscheid, vor allem, wenn er freiwillig ist, mit dem christlichen Glauben vereinbar ist. Sie schliessen damit einen recht grossen Teil der Bevölkerung vom Gottesdienstbesuch aus, respektive dieser Teil muss sich kostenpflichtig testen lassen. Ich sehe nicht, wie Sie Derartiges legitimieren können, wo doch die Bibel an mehreren Stellen ‹alle› zum Gottesdienst aufruft und sich die Verkündigung als Amtspflicht der Pfarrer an ‹alle› richtet.
Ich kann akzeptieren, dass bei einem Gottesdienstbesuch Kontaktdaten erhoben werden, ich kann verstehen, dass Abstandregeln und Kapazitätsbeschränkungen gelten, dass man für eine gewisse Zeit nicht singen darf – geschenkt!
Gottesdienste sind aber ein Ausdruck unserer freien Religionsausübung. Wenn man hier am Eingang diskriminiert wird nach gut (mit Zertifikat) und schlecht (ohne Zertifikat, also ‹nicht willkommen›), dann müssen Sie schon sehr überzeugend argumentieren, um dies mit dem christlichen Glauben vereinbar zu machen. Ich selber kann es nicht.»
Die Kirchengemeinde hat meine ausführliche Mail, die ich mit dem eingangs zitierten Bibelwort aus dem Galaterbrief begonnen hatte, übrigens intern weitergeleitet und kommentiert. Durch einen Lapsus landete diese Mail auch bei mir. In flapsigem Ton stand dort, dass man Beschwerden normalerweise sorgfältig beantworten würde, es sich hier aber kaum lohne, mehr als einen Dreizeiler darauf zu verwenden. Ich bedankte mich dann für die «freundliche Mail», merkte aber an, dass sie wohl nicht an mich adressiert war. Ertappt, gab mir die Kirchengemeinde dann doch noch eine etwas ausführlichere Antwort.
Die war durchaus nicht unfreundlich. Man betonte, dass im Christentum die Rücksicht auf Schwächere ebenso bedeutend sei wie die individuelle Freiheit. Die Kirchgemeinde wolle «den vulnerablen Teil der Gemeinde» keinem erhöhten Risiko aussetzen. Meine Einteilung in «gut» und «schlecht», mit und ohne Zertifikat, sei allerdings eine Unterstellung.
Das Bibelwort aus dem Galaterbrief ruft uns jedoch auf, die Freiheit zu gebrauchen, die Christus uns beschert hat. Die Freiheit, die hier gemeint ist, hat nichts mit einer schrankenlosen Willkür zu tun. Die Frage ist also: Wie weit dürfen Einschränkungen gehen? Der Galaterbrief lädt uns vielmehr ein, uns in freiem Geiste eine eigene Meinung zu bilden.
In diesem Lichte betrachtet, ist die Antwort der Kirchgemeinde aus zwei Gründen hochproblematisch.
Erstens: Warum haben die Kirchen nicht oder nicht stärker protestiert, als Besuchsverbote in Krankenhäusern und Pflegeheimen verhängt wurden? Menschen mussten einsam sterben und konnten sich nicht einmal von ihren engsten Angehörigen verabschieden!
Zweitens: Es war schon bei der Verhängung dieser Pflicht im September 2021 klar, dass die Zertifikatspflicht nicht dazu diente, irgendjemand zu schützen, stattdessen sollte sie die Menschen zur «Impfung» zwingen. Die «Task Force» hatte nämlich bereits vor jenem Datum darauf hingewiesen, dass diese Präparate weder vor Übertragung noch vor Ansteckung schützen würden – somit auch nicht die «Vulnerablen».
Diese Zusammenhänge zu erkennen und mutig dazu zu stehen, das hätte man von der «protestantischen» Kirche erwartet. Natürlich hätte es mehr Mut gebraucht, sich mit dem Staat anzulegen, der auch die eigene Kasse alimentiert.
Dass diese Kritik nicht aufkam, zeigt, dass hier schon sehr früh die falsche Abzweigung genommen wurde. Statt auf biblischer Grundlage eine eigene Meinung zu erarbeiten und den Staat zu ermahnen, die Grundrechte aller zu schützen, ging man den Weg des geringsten Widerstandes.
Die Kirchen können sich nicht damit herausreden, dass sie im Bereich Epidemiologie keine Spezialisten sind. Das sind sie zum Beispiel auch beim Klimawandel nicht. Trotzdem haben sie sich dort eine eigene Meinung erarbeitet und vertreten diese sehr offensiv.
Es wäre doch ein guter Vorsatz für die Kirchen, im neuen Jahr ihr Verhalten während der Coronazeit aufzuarbeiten und damit gegen die gegenwärtige Spaltung der Gesellschaft anzutreten.
Unser Jahrbuch 2023, das Mitte Januar erscheinen wird, haben wir diesem Thema, der Spaltung der Gesellschaft, gewidmet.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes neues Jahr und viele gute Vorsätze, die auch umgesetzt werden.
Daniel Funk
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Transition TV, Sendung vom 22. Dezember: «Spaltung als Naturgesetz und das Licht von Weihnachten»
Das physikalische Gesetz der Entropie besagt: Am Schluss gewinnt das Chaos. Die Spaltung, unter der viele Menschen heute leiden, entspricht also einem Naturgesetz. Aber wir leben nicht in einer rein materialistischen Welt. Die Wintersonnwende und Weihnachten sind eine gute Zeit, die Kräfte zur Überwindung der Spaltung zu entdecken. Auf die Frage, wie die Spaltung zu überwinden ist, liefert Christoph Pfluger allerdings nur eine halbe und eine vorläufige Antwort.
Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
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Intelligent – kann Maschine Mensch sein? Ausgabe 175 des Zeitpunkt
Der Mensch hat eine Tendenz, sich als biologische Maschine zu sehen und «intelligenten» Maschinen menschliche Züge zuzuschreiben. Die damit verbundene Abwertung des Menschlichen ist die Hauptgefahr der künstlichen Intelligenz. Diese Ausgabe zeigt, wie wir diesen Gefahren begegnen und wo die Chancen der KI liegen.
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