Weihnachten ist nicht nur eine Zeit der Freude,
sondern auch der Nachdenklichkeit.
Winston Churchill
Liebe Leserinnen und Leser
Als ich 1991 Weihnachten in Bethlehem verbrachte, war gerade die erste Intifada im Gange. Die Stadt war, wie das gesamte Westjordanland, von Israel besetzt und es gab zahlreiche Kontrollen. Dennoch kamen viele Touristen und Gläubige.
Dazu zählte ich mich nicht, da ich seit einem halben Jahr in Israel und Palästina lebte und arbeitete und noch fast ein Jahr lang dort bleiben würde. Obwohl ich nicht gläubig bin, interessieren mich Religionen, und da ich schon mal im Heiligen Land war, musste ich mir das «Spektakel» ansehen.
Dieses Jahr gab es in Bethlehem an Weihnachten hingegen keine Festivitäten. Die Gemeinde hatte die Feierlichkeiten aus Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen abgesagt. Stattdessen wurde auf dem Krippenplatz in der Nähe der Geburtskirche, wo normalerweise ein geschmückter Weihnachtsbaum steht, ein Kunstwerk mit dem Titel «Nativity under the Rubble» («Christi Geburt unter den Trümmern») errichtet.
Das Werk des palästinensischen Künstlers Tariq Salsa zeigt ein Kind aus Gaza in einer Trümmerlandschaft anstelle des Jesuskindes. Ähnlich sieht die Krippe in der evangelisch-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem aus. Jesus ist hier zusätzlich in eine Kufiya gehüllt.
1991 gab es im Westjordanland zwar auch schon zahlreiche Siedlungen, doch noch nicht in dem Ausmass wie heute. Gemäss Peace Now hatte es 1991 94’100 Siedler, 2021 seien es hingegen 465’400 gewesen. Und die Absperrung war noch nicht errichtet worden. Mir war damals allerdings klar, dass der Konflikt zwischen Israel uns Palästina weiter eskalieren würde.
Heute sind die Bewohner Bethlehems laut Wikipedia zwischen 37 jüdische «Enklaven» eingezwängt. In diesen Leben etwa 170’000 Menschen, ein Viertel aller Siedler im Westjordanland. Ausserdem umgeben die Stadt zwei Strassen für israelische Siedler.
In den Trümmern liegt jedoch nicht nur Jesus: Auch seine Anhänger haben es in Palästina zunehmend schwer. Selbst Bethlehem müssen christliche Familien, die seit Jahrhunderten in der Stadt leben, verlassen, weil Israel Land beschlagnahmt und Häuser platt macht, um welche für Israelis zu bauen.
Der Times zufolge hat die Beschlagnahmung von Land für israelische Siedlungen auch den Bau eines neuen Krankenhauses für die Einwohner von Bethlehem verhindert. Ein Problem sei zudem die Absperrung, die nicht nur Dutzende palästinensischer Familien von ihrem Ackerland, sondern auch christliche Gemeinden von ihren Gotteshäusern trenne. Doch Berichten zufolge wurden Christen auch von palästinensischen Muslimen bedrängt, verfolgt und sogar ermordet.
Trotz dem Leiden vieler Menschen im Heiligen Land und den Schrecken des Krieges, birgt die Darstellung des Christkinds in Trümmern auch Hoffnung auf Frieden und auf eine für alle akzeptable Lösung des Konflikts. Eine Hoffnung, die aber gegenwärtig leider an der Realität zerschellt.
Wenig Hoffnung wecken auch die Weihnachtsfeiern in einem anderem kriegsgeschundenen Land, der Ukraine, wo inzwischen ein Stellungskrieg stattfindet. Die meisten Bewohner dort sind orthodoxe Christen. Und im Juli dieses Jahres unterzeichnete Präsident Wolodimir Selenskji ein Gesetz, das den 25. Dezember zum offiziellen Weihnachtsfeiertag machte. Bislang wurde Weihnachten in dem Land am 7. Januar gefeiert.
Das Ziel dieses Schrittes ist es, den russischen Einfluss weiter zu begrenzen. Er treibt jedoch einen weiteren Keil zwischen die Bevölkerung und wird kaum zu einer friedlichen Lösung beitragen.
Dennoch wünsche ich Ihnen weiterhin frohe Festtage – aber denken Sie dabei auch an diejenigen, für die sie nicht so froh sind.
Herzlich
Konstantin Demeter
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Transition TV, Sendung vom 22. Dezember: «Spaltung als Naturgesetz und das Licht von Weihnachten»
Das physikalische Gesetz der Entropie besagt: Am Schluss gewinnt das Chaos. Die Spaltung, unter der viele Menschen heute leiden, entspricht also einem Naturgesetz. Aber wir leben nicht in einer rein materialistischen Welt. Die Wintersonnwende und Weihnachten sind eine gute Zeit, die Kräfte zur Überwindung der Spaltung zu entdecken. Auf die Frage, wie die Spaltung zu überwinden ist, liefert Christoph Pfluger allerdings nur eine halbe und eine vorläufige Antwort.
Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
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Intelligent – kann Maschine Mensch sein? Ausgabe 175 des Zeitpunkt
Der Mensch hat eine Tendenz, sich als biologische Maschine zu sehen und «intelligenten» Maschinen menschliche Züge zuzuschreiben. Die damit verbundene Abwertung des Menschlichen ist die Hauptgefahr der künstlichen Intelligenz. Diese Ausgabe zeigt, wie wir diesen Gefahren begegnen und wo die Chancen der KI liegen.
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