«Es ist die teuerste – Entschuldigung, schönste! – Zeit des Jahres», befindet das Magazin Politico. Deshalb habe man sich entschlossen, eine «gründliche und wissenschaftlich einwandfreie» Untersuchung darüber durchzuführen, was es in Europa kostet, ein Weihnachtsessen auf den Tisch zu bringen.
Nein, man habe sich nicht die Mühe gemacht, Eurostat zu befragen (man habe es versucht, aber das interaktive Tool auf der Eurostat-Website zum Vergleich der Lebensmittelpreisinflation funktioniere nicht). Man hätte die Marktforschungsunternehmen fragen können (aber die würden alle für die Supermärkte arbeiten). Auch hätte man auf den Strassen Europas nach authentischen Anekdoten aus dem wirklichen Leben suchen können (aber es sei kalt gewesen und habe geregnet, und man habe ja auch noch Geschenke kaufen müssen).
Die Autoren hätten sich also in der Redaktion umgehört, und die Kollegen hätten ihre Verwandten zu Hause gefragt. Die erhaltenen Ergebnisse seien genauso erschreckend, wie man es erwartet habe.
Eine vierköpfige Kernfamilie plus zwei Schwiegerelternpaare so zu verköstigen, wie sie es gewohnt seien, könne demnach bis zu 320 Euro kosten. Wenn man die Gäste mit flüssigen Erfrischungen bei Laune halte, kämen noch einmal 210 Euro hinzu.
Bild: Screenshot Politico
Das sei das Ergebnis einer aussergewöhnlichen Inflation, die seit zwei Jahren anhält, urteilt Politico. Nach Angaben des britischen Office for National Statistics sind die Preise für Lebensmittel und Getränke im Vereinigten Königreich in den letzten zwei Jahren um 27 Prozent gestiegen, nachdem sie in den zehn Jahren zuvor nur um 9 Prozent gestiegen waren.
Die Zahlen von Eurostat zeigen, dass die Lebensmittelpreise in den letzten zwei Jahren um 30 Prozent gestiegen sind, nachdem sie in den sieben Jahren zuvor nur um 10 Prozent gestiegen waren. Dies sei das teuerste Weihnachtsfest aller Zeiten, wie der spanische Verbraucherverband OCU versicherte.
Die Ursachen dafür seien vielfältig, und die Aufteilung der Schuld auf die verschiedenen Faktoren dürfte dieses Weihnachten für Gesprächsstoff bei Tisch sorgen. Der Klimawandel, die profitgierigen Supermärkte, die grossen Lebensmittelkonzerne und (zumindest im Vereinigten Königreich) der Brexit könnten alle mitverantwortlich gemacht werden. Der Hauptbösewicht sei jedoch wahrscheinlich der «Grinch» selbst, Wladimir Wladimirowitsch Putin.
Die Rettung für die Gastgeber in diesem Jahr sei einerseits, dass die Agrarpreise im dritten Quartal EU-weit um 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken sind. Und andererseits wären viele Landwirte und Lebensmittelproduzenten seit diesem Sommer in der Lage, ihre oft mehrjährigen Energielieferverträge zu gefallenen Preisen zu verlängern. Die Einsparungen könnten so teilweise an die Grosshändler weitergegeben werden.
Ansonsten könnten die Ergebnisse des Magazins – leider – nur verbreitete nationale Vorurteile bestätigen. Mit Bedauern habe man festgestellt, dass die Getränkerechnung in Irland wesentlich höher war als in anderen Ländern. Und man habe nicht schlecht gestaunt, als die französischen Kollegen mit der üppigsten Essensrechnung aufwarteten. Man wisse zu leben, immerhin.
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