Was nützt die Freiheit des Denkens,
wenn sie nicht zur Freiheit des Handelns führt?
Jonathan Swift
Liebe Leserinnen und Leser
Ich möchte heute lose an das Thema des Newsletters meines Kollegen Daniel Funk von letzter Woche anknüpfen und an meinen eigenen von vor zwei Wochen. Es geht um das Thema Bildung beziehungsweise Un- und Um-Bildung.
Diesmal möchte ich mich allerdings weniger auf die Schule und das Studium konzentrieren, sondern auf die sogenannte «Weiterbildung». Weiterbildung, das klingt doch gut, meint man. Das sollten alle machen. Man lernt schliesslich nie aus. Und es ist gut, neue Dinge zu lernen. Sein Fach zu vertiefen. Den Horizont zu erweitern. «Lebenslanges Lernen» ist die Devise.
Bei genauem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass «Weiterbildung» in erster Linie eines ist: ein sehr lukrativer Wirtschaftszweig. Die Menge an Kursen, Workshops, Coachings, Trainings, Zertifikaten und Zusatzstudien ist mittlerweile ins schier Unermessliche gestiegen.
Besonders «witzig» fand ich immer diesen Studiengang: «MAS in Effective Leadership». Übersetzen Sie das mal auf Deutsch ... und beachten Sie das Bild mit dem Titel «Praxisorientierter Unterricht». Vielleicht liegt es nur daran, dass ich Deutsche bin, aber «Effektive Führung/Führerschaft» von Männern in Soldatenuniform unterrichtet zu bekommen, finde ich irgendwie etwas dubios ... Leider passt es jedoch hervorragend zum aktuellen bellizistischen Zeitgeist.
Gemeinsam ist all den Weiterbildungsangeboten, ob Studiengang, freiwilliger Kurs oder Zwangsbeschäftigung via Arbeitsamt, dass dort erwachsene Menschen wieder zu Schulkindern gemacht werden. Es handelt sich also, so meine These, um das Gegenteil von Ivan Illichs Forderung nach einer «Entschulung der Gesellschaft». Das Buch wurde 1971 geschrieben.
Die grossflächige Infantilisierung geschieht indessen mittels vermeintlich moderner Lernmethoden, die jedoch häufig – implizit oder sogar explizit – nichts anderes sind, als in hübsche Worte gehüllter Behaviorismus, kombiniert mit auf Emotionen abzielenden psychologischen Übergriffigkeiten. Verheerend dabei ist nicht zuletzt, dass viele derart agierende «Weiterbildner» selbst keine Ahnung haben, was der historische und ideologische Ursprung ihrer Methoden ist.
Zu diesen historischen Hintergründen gab es gerade wieder ein sehr aufschlussreiches Interview mit der Psychologin Valeria Petkova, das ich guten Gewissens als echte Weiterbildung empfehlen kann.
Ich weiss aus eigener Erfahrung und Erzählungen von kritischen Menschen in «Weiterbildungen», dass das Ziel der dort vermittelten «Bildung» jeweils keineswegs in mehr Fachwissen, Fähigkeiten, Können oder Reflexion besteht. Ganz im Gegenteil: Mittels Überfrachtung mit häufig irrelevanter Information und inflationären Prüfungssituationen (inklusive gegenseitiger «Bewertung») werden in erster Linie bestimmte Haltungen und ein erwünschtes Verhalten erzwungen.
Nicht freier Gedankenaustausch und der Erwerb echter neuer Kenntnisse stehen auf dem Programm. Stattdessen finden sich die bereits erwachsenen Menschen nicht selten in sozialen Experimenten wieder, in denen sie einem diffusen Dauerstress ausgesetzt sind. Mit allerlei schwammigen Begriffen wird alles Mögliche gefordert, ohne dass irgendjemand genau definieren könnte, worum es eigentlich geht. Bewertet wird schliesslich vor allem das «korrekte» Verhalten, sprich der vorauseilende Gehorsam und die Anpassung an die jeweiligen Vorgaben.
Damit befinden wir uns dann nicht nur weit jenseits des Bildungsbegriffs der Aufklärung, sondern sogar weit jenseits dessen, was noch in meiner Schulzeit und zu Beginn des Studiums zumindest als Ideal gegolten hat: Bildung ist keine Indoktrination; auch Lehrer und Professoren müssen gut argumentieren und Rechenschaft ablegen, wenn sie etwas so oder so bewerten; der Schüler oder Student ist als mündiger Mensch zu betrachten und nicht als «Humanressource», die man ausbeuten und nach eigenem Gusto formen kann.
Seien Sie also vorsichtig, liebe Leserinnen und Leser, wenn Ihnen jemand eine «Weiterbildung» andrehen möchte. Es könnte sich um ein trojanisches Pferd handeln. Suchen Sie sich stattdessen selbst die Lehrer, die in dem jeweiligen Bereich, der Sie interessiert, Meister Ihres Faches sind. Und seien Sie selbst Lehrer für andere in dem, was Sie selbst gut können. Natürlich nur, wenn diese das wünschen.
Herzliche Grüsse
Susanne Schmieden
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Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger