Die Frage des Gegenvorschlages entscheidet, welche Optionen die Stimmbürger haben.
Dominik Feusi im Nebelspalter vom 27.5. 2025
Liebe Leserinnen und Leser
Im Moment läuft in Sachen Schweizer Neutralität gerade viel. Das hat einerseits damit zu tun, dass die offizielle Schweiz die altbewährte Neutralität immer mehr «flexibilisiert», sprich: sich der NATO annähert, ohne aber die Frage eines Beitritts zu thematisieren und (bisher) ohne das Neutralitätsrecht zu verletzen.
Andererseits kommt mit der Neutralitätsinitiative im nächsten Jahr eine Vorlage an die Urne, die die Schweizer Neutralität in der Bundesverfassung verankern will. Stimmen Volk und Stände zu, erhält die Vorlage Gesetzeskraft – auch gegen den Willen von Regierung und Parlament.
Das passt einem Teil des politischen Spektrums nicht – insbesondere das Außenministerium (EDA) und das Verteidigungsministerium (VBS) scheinen nicht mehr an die Wirkung der Neutralität als Friedensinstrument zu glauben, obwohl sie sich weiterhin offiziell dazu bekennen.
Wie ich heute berichtete, ist das genau die Politik, die der neue Verteidigungsminister, Oberst Martin Pfister, verfolgt. Die Argumentation geht so: «Wir halten uns ans Neutralitätsrecht, weitere verfassungsmäßige Bindungen wollen wir nicht und sie sind nicht nötig.» Es wird betont, dass die Neutralität schon heute in der Bundesverfassung erwähnt sei und nur durch eine Verfassungsänderung davon abgerückt werden könne.
Stimmt das? Ich bin mir nicht ganz sicher. Eine genaue Lektüre der entsprechenden Verfassungsbestimmung fördert zutage, dass die Neutralität quasi en passant erwähnt ist. Ob das hart genug formuliert ist, um etwelche Winkeladvokaten davon abzuhalten und die Verfassung neu zu interpretieren? Da habe ich meine Zweifel.
Ich stelle jedenfalls fest, dass die Gegner der Initiative versuchen, eine ehrliche Diskussion zu unterdrücken und nur die Gegenargumente in die Waagschale zu werfen. Das ist unschweizerisch.
Aber gerade so sind die Organisatoren der «Impulstagung zur Neutralitätspolitik – Was auf dem Spiel steht» des Schweizerischen Friedensrates in Bern vorgegangen (ich habe hier darüber berichtet). Sie haben versucht, den Befürwortern der Initiative möglichst keine Plattform zu bieten.
In diesen Tagen hat nun die Ständeratskommission die Neutralitätsinitiative zur Ablehnung empfohlen und sich (äußerst knapp) gegen einen Gegenvorschlag entschieden. Das wird wohl in der nun beginnenden Sommersession der Eidgenössischen Räte zu reden geben. Vor der Sommerpause wird wohl entschieden, ob es einen solchen Gegenvorschlag gibt oder nicht.
Die Eidgenössischen Räte können einer Volksinitiative einen Gegenvorschlag gegenüberstellen. Sie tun das in der Regel, wenn sie das Anliegen für bedenkenswert halten, aber die Initiative ihnen zu weit geht. Geschieht das, können Volk und Stände über beide Vorlagen abstimmen. Bei Zustimmung zu beiden Vorlagen entscheidet eine Stichfrage auf dem Stimmzettel, ob der Gegenvorschlag oder die Initiative obsiegt.
Aufmerksame Leserinnen und Leser dieses Newsletters und von Transition News wissen, dass ich zu den Befürwortern der Initiative gehöre. Warum hoffe ich trotzdem, dass es einen Gegenvorschlag gibt?
Einerseits hat dann der Stimmbürger eine Wahlmöglichkeit. Andererseits müssen sich dann die Politikerinnen und Politiker, die gegen die Initiative sind, bekennen. Sind sie nur gegen die Initiative, oder sind sie gegen die Neutralität? Einen Gegenvorschlag, der sich am Initiativtext orientiert, aber bei dem der Abschnitt über die Sanktionen weggelassen wird, könnte dann nur von grundsätzlichen Gegnern der Neutralität abgelehnt werden. Diejenigen, die sich für die «Flexibilisierung» des seit 500 Jahren bewährten außenpolitischen Instruments einsetzen, müssten sich dann bekennen, ob das für sie ein Zwischenschritt zum Ende der Neutralität ist oder nicht.
Auf der anderen Seite regen sich die Befürworter der Initiative. Der Historiker Daniele Ganser startete sogar eine Plakataktion an prominenter Stelle an Schweizer Bahnhöfen.
Auch die Bewegung für Neutralität (BeneSwiss), deren Vorstandmitglied ich bin, informiert fast täglich.
Ich werde Sie weiter informieren, zum Beispiel in diesen Tagen über ein Schweizer Panzergeschäft und die Frage, ob es mit der Neutralität vereinbar ist.
Bleiben Sie uns, geneigte Leserin, geneigter Leser, gewogen!
Daniel Funk