Der Prüfstein trügt dich nie:
Gut ist, was wohl dir tut, / und das ist schlimm,
o Herz, wobei dir schlimm zumut.
Friedrich Rückert
Liebe Leserinnen und Leser
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist ein Regenbogen-Fan. So hisste er jüngst eine Regenbogenflagge vor dem Verteidigungsministerium – als «Zeichen für Diversität und Toleranz», als «Zeichen für Vielfalt», wie die Massenmedien die behördliche Massnahme brav rezipierten (hier und hier).
Der Hintergrund: Homosexuelle Soldaten galten lange als Gefahr für den Zusammenhalt und als dienstunfähig. Am 3. Juli 2000 wurde der entsprechende Ministererlass aufgehoben. Das Ministerium behauptete bereits im vergangenen Jahr: «Heute sind queere Menschen ganz selbstverständlich Teil einer bunten Bundeswehr.»
Ja, das kann sein. Doch die Aufhebung des Erlasses geht auf eine Klage eines Soldaten aus dem Jahr 1984 zurück. Die Behörden haben das nicht freiwillig von sich aus gemacht, so wie sie ihre «Einsicht» heute selbstgefällig verkaufen.
Doch heute passt es selbstverständlich in den Zeitgeist, sich als woke darzustellen. Es ist einer der besten Marketing-Gags der letzten Jahre. Und man übt sich fleissig-inflationär im Sorry-Sagen, mit dem netten Nebeneffekt, von anderen Problemen abzulenken.
Es ist cool, als Parteimitglied der Sozialdemokraten Vielfalt zu predigen, aber gleichzeitig Krieg gegen Russland zu führen und Russen von allem und jedem auszuschliessen. Wir sind inklusiv, nur exklusiv Russland. Vielleicht erhöht ja die Vielfalt die militärische Schlagkraft.
Hat Pistorius sich als Sozialdemokrat je für eine Entschuldigung für all jene eingesetzt, die im Zuge der kapitalistischen Industrialisierung unter übelsten Umständen ausgebeutet wurden? Gemäss invertierter «Schwurbel»-Sprache ist Pistorius ein Ausgebeuteten-Verharmloser. Wo bleibt die Entschuldigung für die Diskriminierung durch Corona-Massnahmen?
Dieser behördliche Geschichtsrevisionismus müffelt. Man brüstet sich des Gutmenschentums und feiert sich für fremde Verdienste. Es ist völlig klar, dass die späteren Generationen gewisse Dinge anders sehen.
Man kann sich für wirklich unzählige Irrwege der Vergangenheit entschuldigen. Was soll man davon halten? Wo beginnt das, und wo hört das auf? Durch diese Willkürlichkeit bleibt das gut Gemeinte oft bloss guter Schein. Deshalb, das habe ich kürzlich geschrieben, ist der selbstgerechte Moralismus ein Eigentor.
Herzliche Grüsse
Armin Stalder
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Hinweise:
In Gedanken an Christine Hug
Mit Bedauern haben wir vom Tod von Christine Hug erfahren. Hug war 42 Jahre alt und Oberstleutnant im Generalstab. Sie ist am Montag durch einen Unfall ums Leben gekommen. Hug war das erste hochrangige Mitglied der Schweizer Armee, das sich als trans Frau outete. Trotz ihrer Position bewies Hug in der Corona-Zeit viel Mut und kritisierte die Massnahmen. Sie war Mitglied im Initiativkomitee der Souveränitätsinitiative und Präsidentin des Vereins «Kinder atmen auf». Der Verein unterstützte Familien, die Corona-Massnahmen vor Gericht anzufechten. Gegenüber SRF sagte sie im Herbst 2021: «Die Massnahmen, so wie sie umgesetzt sind, sind nicht zum Schutz der Kinder, sondern schaden ihnen.» Hug hinterlässt eine Ehefrau und eine Tochter. Wir wünschen Hugs Familie und engsten Bekannten viel Kraft in dieser schwierigen Zeit.
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Die TTV-News vom 7. Juli 2023 mit folgenden Themen:
???? Die neuen Verfassungsfreunde: Sie sind brav und feiern mit der Regierung
???? Wohin fliesst eigentlich das Geld für die Ukraine? Die Antwort überrascht nicht
???? Putin – Herr des Geschens? Das neue Buch von Jacques Baud
???? Wie kann die Schweiz ihre Neutralität leben? Artikel 2 der UNO-Charta weist den Weg
???? Warum demonstrieren Menschen? Der Fotograf Rio Hauser beobachtet seit 40 Jahren Protestbewegungen
Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
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