Nicolas A. Rimoldi will diesen Herbst ins Parlament einziehen. Der Präsident von MASS-VOLL! kandidiert im Kanton Zürich auf dem Spitzenplatz der Nationalratsliste seiner Organisation. Gemeinsam mit weiteren Mitstreitern will MASS-VOLL! in mehreren Kantonen Parlamentssitze ergattern. Vereinzelt kann Rimoldi dabei auch auf erfahrene Politiker zählen.
FDP-Urgestein Alex Gantner etwa kandidiert im Kanton Zürich für MASS-VOLL!. Im Thurgau versucht Kantonsrätin Barbara Müller über Rimoldis Organisation den Sprung nach Bern zu schaffen. Auch im Kanton Aarau soll es eine Nationalratsliste geben. Neben Roland Bühlmann, dem Präsidenten der Freunde der Verfassung, hat dort jüngst auch Nancy Holten ihre Kandidatur bekannt gegeben.
Aber wofür steht Rimoldi politisch überhaupt? Unlängst hat die Organisation ihr Wahlprogramm veröffentlicht. Der Anstrich ist eindeutig libertär. Auf der einen Seite stehen die «souveränen Individuen», auf der anderen Seite der allmächtige Staat, der mehr und mehr in das Leben der Bürger hineinregiert. Rimoldis Rezept lautet: «The Great Freeset». Eine Anspielung auf den «Great Reset», den Klaus Schwab und Konsorten vorantreiben wollen. Transition News konfrontierte Rimoldi mit Fragen zum Wahlprogramm.
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Transition News: In Ihrem Wahlprogramm ist viel die Rede von «Freiheit», «Souveränität» und den «Grundrechten». Das klingt ja alles gut. Aber wenn es um konkrete politische Lösungen geht, hapert es doch bei Ihnen. Kürzlich haben Sie vor dem Hintergrund der jüngsten Proteste in Frankreich geschrieben: «Die Schweiz muss die Grenze zu Frankreich sofort schliessen, um die Sicherheit von Land und Leuten zu garantieren!» Das ist doch keine konstruktive Lösung. Was ist mit all den Grenzgängern, all den französischen Arbeitskräften, die in der Region Genf arbeiten?
Nicolas A. Rimoldi: Der Staat hat die Aufgabe, das Leben und den Besitz der Bürger zu schützen. Somit hat der Schweizer Staat alle möglichen Handlungen vorzunehmen, um ein Übergreifen der französischen Unruhen in die Schweiz zu verhindern und diese im Falle einer Wiederholung in der Schweiz mit allen möglichen Mitteln zu verhindern. Grenzgänger und allgemeiner Warenverkehr scheinen mir hier kein besonderes Risiko zu sein.
MASS-VOLL! behauptet, für «minimale Steuern und maximale Freiheit» eintreten zu wollen. Damit spielt ihr doch gerade den Reichsten der Reichen in die Karten. Eine solche Politik wird doch längerfristig die soziale Ungleichheit verschärfen und damit auch den sozialen Frieden gefährden?
Nehmen wir beispielsweise die Mehrwertsteuer, welche die Politiker ständig erhöhen wollen. Diese verteuert ganz direkt das Leben. Oder die Versuche, das Benzin und Heizöl zu verteuern. Wen trifft das vor allem? Die Reichen mit ihren neuen Teslas und Minergie-Häusern? Oder nicht eher die ärmeren Menschen? Auch hier ist es wieder so: Die Politiker und der Staat sind das Problem.
Sowohl linke wie auch rechte Politiker sind bei Mass-Voll! dabei. In der NZZ haben Sie gesagt: «Wir sind freiheitlicher als die FDP, heimatverbundener als die SVP, sozialer als die SP und umweltfreundlicher als die Grünen.» Das ist doch utopisch. Linke kämpfen gegen den Abbau des Gesundheitswesens, des Bildungssektors und so weiter. Libertäre Positionen, wie Sie sie vertreten, widersprechen dem doch wiederum. Wie soll das funktionieren?
Die Dimensionen «Links» und «Rechts» sind veraltete Konzepte. Wir orientieren uns am Individuum und seinen Rechten. Und das funktioniert in der Praxis hervorragend: Unterdessen sehen auch «Linke», dass der heutige Sozialstaat den Menschen Möglichkeiten und jede Würde nimmt. Sie sehen auch, dass das Gesundheitswesen zwar unbezahlbar teuer ist, aber zu allem führt, aber nicht zu Gesundheit. Das kann doch niemand gut finden – ausser vielleicht die in der Sozialhilfe-Bürokratie beschäftigten Personen mit ihren sehr guten Löhnen. Wir müssen beim Individuum und seinen Möglichkeiten ansetzen und es stärken. Das ist weder eine linke noch eine rechte Position. Sondern eine Position der Vernunft.
Im Wahlprogramm nennt ihr Politiker «charakterlose Feiglinge und dumme Schwätzer». Mit einem solch polemischen Vokabular holt man doch die Bürger nicht ab.
Wir müssen die Täter während der Corona-Zeit klar benennen. Bei diesen Personen bringt es nichts, sich zurückzuhalten. Diese müssen konsequent entlarvt und bestraft werden. Anschliessend müssen wir natürlich versuchen, diese Leute wieder in die Gesellschaft zu integrieren, aber nicht in wichtigen Positionen.
Im Wahlprogramm von MASS-VOLL! heisst es: «Lebensmittel, Mieten, Medikamente und das Leben an sich werden zunehmend unbezahlbar. Heute ist die Schweiz eine globalisierte Zone. Sie wird spürbar instabiler und unsicherer. Der einzelne Mensch ist also nicht mehr souverän im Staat und die Schweiz nicht mehr souverän in der Welt.» Ein Grund dafür, dass die Lebenskosten in den letzten Jahren zugenommen haben, ist doch gerade die neoliberale Politik. Mit der von Ihnen anvisierten Politik werden sich diese Probleme doch noch verschärfen. Da dadurch wichtige Bereiche wie das Gesundheitswesen und die Bildung dem Markt respektive der Privatwirtschaft überlassen und staatliche Subventionen möglichst klein gehalten werden.
Wettbewerb und Konkurrenz führt zu besserer Qualität und niedrigen Preisen. Schauen wir heute in der Schweiz einmal auf die Haupttreiber der Lebenshaltungskosten: Krankenkassenprämien, Energiekosten, ÖV, Post: Überall sehen wir (staatliche) Monopole oder sonst die Ineffizienz des Staates. Selbst im Wohnungswesen sind die Preissteigerungen ursächlich zu einem Grossteil auf den Staat zurückzuführen mit seiner verheerenden Politik: Persönlich sind mir Wohneigentümer bekannt, welche seit Jahren versuchen, in Zürich mehr Wohnungen zu bauen – und an einem Wust an Regulierung und Bürokratie scheitern. Haben Sie das gewusst? Es gibt in der Stadt Zürich Quartierarchitekten, welche schlicht das Telefon nicht abnehmen, ohne deren Zustimmung aber z.B. ein Gebäude nicht aufgestockt werden kann. Wir müssen den Staat und seine Akteure zurückbinden, dann geht es vor allem den ärmeren Menschen sofort besser.
Sie sprechen sich gegen das staatliche Schulsystem aus: Sie schreiben: «Die Entmarxifizierung der Schulen garantiert eine ideologiefreie Bildung». Dafür wollen Sie sich stark machen. Der Woke-Zeitgeist, der an den Schulen vorherrscht, hat doch nichts mit Karl Marx zu tun. Er kämpfte gegen totalitäre Tendenzen. Er kämpfte gegen Zensur, der er wiederholt selbst zum Opfer fiel. Mit dem Woke-Wahnsinn hätte er nichts am Hut.
Marx ist der Vordenker einer menschenverachtenden kollektivistischen Ideologie, welche allein im 20. Jahrhundert über 150 Millionen ermordet und noch viel mehr Menschen Glück und Zufriedenheit genommen hat. Zudem war er ein übler Antisemit (siehe z.B. sein antisemitisches Pamphlet «Zur Judenfrage»). Seine hoch problematischen Gedanken werden heute immer noch verwendet. Dazu gehört vor allem: Der Kollektivismus, der Menschen in Gruppen einteilt und versucht, gegeneinander aufzuhetzen, worunter Ungeimpfte wie ich massiv litten. Kollektivismus ist die Basis von Rassismus und Antisemitismus – die heutigen «woken» Bewegungen mit ihren kruden Rassentheorien sind nur die jüngste Sumpfblüte. Das alles hat an der Schule nichts verloren. Die Schule soll sich darauf konzentrieren, Kindern Lesen, Schreiben, Mathematik, Chemie, Physik, Geschichte, Biologie, Programmierung usw. beizubringen. Daran scheitert sie ja heute bereits viel zu oft.
Noch eine ganz andere Frage zuletzt: Patrick Jetzer (Aufrecht) kritisierte Sie jüngst, ohne Sie beim Namen zu nennen. Er schrieb: «Man darf Medienpräsenz nicht mit Wahlstärke verwechseln». Er schrieb von «Selbstdarstellern», womit Sie vermutlich gemeint waren. Und er fragte sich, ob es bei den «Selbstdarstellern» nur um Geld und Eigeninteressen gehe. Was entgegnen Sie hierauf?
Hat er damit mich gemeint? Das war mir gar nicht bewusst. Im Ernst: Ich fände es super, wenn sich jeder auf den eigenen Wahlkampf konzentriert. Konkurrenz belebt das Geschäft. Der Wählermarkt ist gross genug, da muss man sich nicht an anderen Bürgerrechtsbewegungen abarbeiten, finde ich.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
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