Über 200 italienische Jüdinnen und Juden haben einen öffentlichen Appell gegen die vom US-Präsidenten Donald Trump vorgeschlagene Abschiebung von Palästinensern und gegen die israelische Gewalt unterzeichnet. Sie fordern die italienische Regierung auf, sich nicht länger an diesen Aktionen zu beteiligen. Wörtlich heißt es:
«Trump will die Palästinenser aus dem Gazastreifen vertreiben. Im Westjordanland geht derweil die Gewalt der israelischen Regierung und der Siedler weiter. Italienische Juden und Jüdinnen sagen: NEIN zu ethnischer Säuberung! Italien ist kein Komplize.»
Der Appell wurde in der auflagenstärksten Zeitung des Landes, La Repubblica, sowie in den kleineren Tageszeitungen La Stampa und Il Manifesto veröffentlicht.
Laut La Repubblica greift die Initiative die Themen eines ähnlichen Aufrufs US-amerikanischer Jüdinnen und Juden auf. Dieser habe bereits Tausende von Unterschriften erhalten, darunter die von dreihundertfünfzig Rabbinern.
Die Organisatoren des italienischen Aufrufs sind der Laboratorio Ebraico Antirazzista (Jüdisches Anti-Rassismus-Labor) und Mai Indifferenti – Voci ebraiche per la pace (Niemals gleichgültig – Jüdische Stimmen für den Frieden). La Repubblica zufolge handelt es sich dabei um zwei Netzwerke, die sich für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, gegen die Politik der Ausgrenzung und der Besetzung Palästinas sowie gegen Antisemitismus und alle Formen des Rassismus in unseren Gesellschaften einsetzen. Viele Menschen, die nicht zu den beiden Gruppen gehören, hätten sich angeschlossen und würden den Geist der Initiative teilen.
Zu den Unterzeichnern gehören die Historiker Siegmund Ginzberg und Carlo Ginzburg, die Historikerin Anna Foa und die Schriftstellerinnen und Schriftsteller Helena Janeczek, Widad Tamimi, Roberto Saviano und Gad Lerner.
Der Aufruf hat in Italien heftige Reaktionen hervorgerufen. Unter anderem wird kritisiert, dass er zeitgleich mit der Beerdigung der Kinder und der Mutter der Familie Bibas erfolgte, deren Leichen kürzlich von der Hamas übergeben wurden. Gemäß Pressenza signalisieren die Reaktionen eine wachsende Kluft in der Unterstützung Israels, selbst innerhalb der jüdischen Welt. Das Portal kommentiert:
«Die Beerdigung der Familie Bibas als Vorwand für Beschimpfungen aller Art zu nutzen, ist ziemlich schäbig. Diejenigen, die dies tun, ignorieren die Tatsache, dass wenige Stunden zuvor sechs palästinensische Kinder aufgrund der Bedingungen, unter denen sie sich befanden, erfroren sind, nachdem die israelische Armee den Gazastreifen in einen Trümmerhaufen verwandelt und Zehntausende von Toten verursacht hatte, die meisten von ihnen Zivilisten, darunter auch Kinder. [Das ist] ein Verbrechen, über das diejenigen, die sich heute über die zweihundert Petenten empören, wahrscheinlich nicht die gleiche Wut empfunden haben.
Sie täten gut daran, ihr Gewissen zu prüfen, ihre Ultra-Trikots auszuziehen und nachzudenken. Und noch einmal die Worte von Primo Levi zu lesen.»
Auch in Israel ist der Appell Thema. Haaretz weist dabei darauf hin, dass am Dienstag auch australische Jüdinnen und Juden einen solchen Aufruf veröffentlicht hätten.