Mit seinem Urteil VB.2024.00753 vom 22. Mai 2025 hat das Zürcher Verwaltungsgericht für Aufsehen gesorgt. In einem Verfahren über eine adaptive 5G-Antenne stellt das Gericht gravierende Mängel bei der Bewilligungspraxis von Mobilfunkanlagen fest – Mängel, die laut Experten wie dem Ingenieurbüro Andreas Groß GmbH in rund 95 Prozent aller untersuchten Fälle ebenfalls vorliegen.
Im Zentrum steht das sogenannte Standortdatenblatt, das bei Baugesuchen zwingend vorzulegen ist. Es enthält zentrale Angaben zur technischen Auslegung der Anlage, zur Sendeleistung und zu Sicherheitsgrenzwerten. Genau hier setzt das Urteil an: In fünf wesentlichen Punkten wurde eine unzureichende Dokumentation festgestellt, was das Gericht als Verletzung gesetzlicher Vorschriften und des rechtlichen Gehörs wertet. Fünf zentrale Kritikpunkte:
Unklare Korrekturfaktoren: Die vorgeschriebene Ausweisung des sogenannten Korrekturfaktors (KAA) für adaptive Antennen fehlt oft oder ist zu vage. Laut Urteil muss dieser Wert konkret und nachvollziehbar angegeben werden.
Fehlende maximale Sendeleistung: Die maximal mögliche Sendeleistung (ERPmax) wird in praktisch allen Baugesuchen nicht genannt. Stattdessen wird nur die «maßgebende» Leistung (ERPn) ausgewiesen – ein gravierender Mangel, der laut Urteil die Prüfung der Grenzwerte faktisch unmöglich macht.
Unzureichende Antennendiagramme: Diagramme, die die Abstrahlcharakteristik der Antennen zeigen sollen, sind oft zu grob und nicht überprüfbar. Das Gericht fordert mindestens eine 5°-Einheit und feine dB-Abstufungen. Diese Anforderungen werden fast nie erfüllt.
Verweigerte elektronische Diagramme: Die Behörden stellen betroffenen Bürgern oft nur Ausdrucke zur Verfügung – elektronische Originale bleiben mit dem Verweis auf Geschäftsgeheimnisse unter Verschluss. Das verletzt laut Urteil eindeutig das Akteneinsichtsrecht.
Mangelhafte Abdeckungskarten: Besonders bei Antennen außerhalb der Bauzone verlangt das Gericht detaillierte, farbige Karten mit Maßstabsangabe und guter Auflösung. Auch hier genügen die eingereichten Unterlagen häufig nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Systemfehler bei Grenzwerten: Hinzu kommt ein strukturelles Problem: In etwa 95 Prozent aller Anträge wird der gesetzlich erlaubte Grenzwert nahezu vollständig ausgeschöpft – häufig mit nur einem Prozent Sicherheitsmarge. Kleinste Rechen- oder Messfehler können damit zur Überschreitung der Grenzwerte führen.
Rechtliche Konsequenzen: Das Urteil stärkt die Position von Einsprechenden erheblich. Es erlaubt fundierte Einwände gegen bestehende und künftige 5G-Bewilligungen. In besonders schweren Fällen, etwa bei wiederholt ignorierten Anforderungen oder fehlenden Grundlagendaten, könnten sogar Nichtigkeitsklagen Aussicht auf Erfolg haben.
Fazit: Das Zürcher Urteil ist ein rechtlicher Wendepunkt im Umgang mit adaptiven 5G-Anlagen. Für Betroffene – insbesondere in ländlichen Zonen und bei hoch ausgereizten Grenzwerten – bietet es eine belastbare Grundlage für Einsprachen, Wiedererwägungsanträge oder gerichtliche Schritte. Die Debatte um 5G dürfte damit neu entfacht werden – diesmal mit juristischen Fakten statt technopolitischen Glaubenssätzen.