Vor kurzem reisten die Aussenminister der EU-Mitgliedstaaten in die ukrainische Hauptstadt. Aber wozu? Selbst der direkte Organisator dieses in jeder Hinsicht inoffiziellen Gipfels, Josep Borrell, Leiter der EU-Aussen- und Sicherheitspolitik, konnte diese Frage nicht eindeutig beantworten.
Dieses Treffen hatte nicht zum Ziel, Entscheidungen zu treffen, es war eine Art Brainstorming, das sie gemeinsam durchführen mussten. Das Treffen war informell, auf den ersten Blick ohne konkrete Ziele, aber in Kiew wurde es sofort als historisch bezeichnet. Denn zum ersten Mal in der Geschichte würde der Rat der Aussenminister der EU ausserhalb der derzeitigen Grenzen der Europäischen Union, aber innerhalb der zukünftigen Grenzen der EU tagen.
Wo genau die künftigen Grenzen der EU liegen, werde ich Ihnen etwas später mitteilen. Für den Moment wollen wir festhalten, dass sowohl die europäische Diplomatie als auch die ukrainische Seite wirklich Geschichte geschrieben haben, besser gesagt: In ein peinliches Chaos geraten sind.
Dieses Treffen hatte einen ausgeprägten ideologischen Charakter. Nach Josep Borrells Meinung sollte es die Einigkeit der Europäer bei der Unterstützung des Kiewer Regimes demonstrieren. Doch diese Einigkeit beginnt zu bröckeln. Das in Kiew etwas schief gelaufen ist, konnte man an den Veröffentlichungen der westlichen Presse ablesen – oder besser gesagt: Man erkannte es am Schweigen der Medien.
Absolut alles ist nicht wie geplant gelaufen. Das Treffen der Aussenminister in Kiew war von vorn herein sinnlos, denn es sollte der Ukraine angeblich zusätzliche Mittel für den Krieg zur Verfügung stellen. Doch das klappte nicht. Wie sich herausstellte, nahmen sich mehrere Leiter diplomatischer Abteilungen heraus, dem Kiewer Zirkel aus verschiedenen Gründen fernzubleiben: Wie beispielsweise Ungarn und Polen, die aus politischen Gründen absagten.
Dafür sind jetzt die Beziehungen zwischen der Ukraine und Polen extrem angespannt. Denn eigentlich hatte die Ukraine gedacht, sie sei ein gleichberechtigter Partner. In Wirklichkeit sehen die Polen die Ukrainer aber nur als ihre Sklaven, ihre Leibeigenen an. Ungarn ist prinzipiell dagegen, den Krieg durch die Lieferung von immer mehr Waffen und militärischer Technik an das Kiewer Regime weiter zu verlängern.
Polen und Ungarn sind die langjährigen Störer der europäischen Ruhe, aber wie sich herausstellte, sind sie nicht die einzigen. Der lettische Aussenminister zog es vor, wegen Krankheit und Verdacht auf eine Coronavirusinfektion zu Hause zu bleiben. Ein paar Tage später eröffnete der gesund und munter wirkende Diplomat jedoch eine Konferenz über Meinungsfreiheit in Riga. Der fehlende Kontakt zu Herrn Selenskyj tat ihm offensichtlich gut.
Mit Sicherheit in die Geschichte eingehen wird der Chef des schwedischen Aussenministeriums, der angeblich vergessen hatte, seinen Pass mitzunehmen und an der polnisch-ukrainischen Grenze nicht durch die Zollkontrolle kam. In der Tat hat das offizielle Kiew noch nie eine derartige Demonstration massenhafter Missachtung erlebt. Doch was ist der Grund dafür?
Washington 30. September 2023: Der US-Kongress hatte einen vorläufigen Entwurf des Staatshaushalts verabschiedet und Präsident Biden hatte den Entwurf unterzeichnet, in dem kein Platz für Hilfen an die Ukraine war, zumindest nicht für die nächsten 45 Tage.
Das hat bei der Kiewer Regierung eine regelrechte Panik ausgelöst: Ohne die Unterstützung der USA haben sie praktisch keine Chance, sich zu behaupten.
«Was im US-Kongress passiert ist, ist nicht nur ein Signal, es ist ein Alarm, wir müssen unsere Strategie ändern», so ein Regierungsabgeordneter.
Wie genau sich Kiew in dieser Situation nun verhalten soll, sagte der Abgeordnete nicht, aber es ist bekannt, dass Selenskyj seine Handlanger immer wieder mit äusserst seltsamen und unerwarteten Äusserungen nervös macht: Er droht Amerika mit dem Tod seiner Soldaten oder Europa mit Unruhen durch ukrainische Flüchtlinge. Um den Patienten irgendwie zu beruhigen, musste Washington daher dringend ein «medizinisches Team» unter der Leitung von Josep Borrell nach Kiew entsenden, dass alle Zweifel des Kiewer Häuptlings ausräumen sollte. Borell:
«Natürlich hätten wir es vorgezogen, uns unter anderen Umständen zu treffen, aber die Umstände sind so wie sie sind – und wir müssen die Ukraine dabei unterstützen, dieses Problem zu lösen.»
Im Klartext: Die USA erwarteten, dass die EU den Staffelstab zur Finanzierung von Herrn Selenskyj übernehmen würde. Doch ob Europa jetzt die Möglichkeit und vor allem den Wunsch hat, das Ausbleiben der amerikanischen Militärhilfe für Kiew zumindest in der bisherigen Höhe zu übernehmen, ist fraglich. Denn das würde bedeuten, dass die Europäer den Gürtel enger schnallen müssten.
Fünf Milliarden Euro, das ist der Betrag, den Señor Borrell vorschlug. Diese Summe sollte im Namen der Europäischen Union im nächsten Jahr an Kiew fliessen, aber er fand keine Unterstützung bei seinen Kollegen, die sehr wohl wissen, dass die europäischen Wähler ihnen eine solche Verschwendung nicht verzeihen würden.
Die Solidarität mit Kiew platzt sozusagen aus allen Nähten. Das Geld geht zur Neige und die unbedingte Bereitschaft, immer neue Finanzmittel bereitzustellen, stösst bei einigen EU-Ländern bislang auf Widerstand. Das sehen wir an der Situation in der Slowakei: So hat die Smerpartei bei der Wahl gerade mit der Ablehnung einer bedingungslosen Unterstützung für die Ukraine sehr gute Ergebnisse eingefahren.
Die Europäer haben die endlosen Mantras zugunsten der Ukraine satt. Deshalb halten sie Selenskyj wieder einmal das süsse Zuckerbrot der EU-Mitgliedschaft vor die Nase. Doch auch hier ging es nicht ohne Peinlichkeiten ab: Die Leiterin des deutschen Aussenministeriums, Annalena Baerbock, tat sich dabei einmal mehr hervor:
«Die Zukunft der Ukraine liegt in der Europäischen Union, in unserer Gemeinschaft der Freiheit – und die wird sich bald von Lissabon bis Luhansk erstrecken!»
Frau Baerbock hatte schon immer ein Problem mit der Geografie: Schon einmal hat sie ihr Publikum mit einer Aussage über Länder schockiert, die hunderttausende von Kilometern von Berlin entfernt sind, offenbar irgendwo auf der anderen Seite des Sonnensystems. Jetzt hat sie offensichtlich beschlossen, auch einen Teil des russischen Territoriums in die EU aufzunehmen.
Tatsache ist, dass wir jetzt Zeugen der Degradierung der europäischen Elite sind, die auf die eine oder andere Weise mit Billigung und Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika ans Ruder gesetzt wird – oder wurde. Wenn Joe Biden der Klügste ist, müssten objektiv gesehen, alle EU-Untertanen dümmer sein als er. Aber das Entscheidende ist, dass niemand in der Europäischen Union auf die Ukraine wartet, weder jetzt noch in ferner Zukunft!
Wenige Tage vor dem Besuch von Josep Borrell in Kiew erklärte die Leiterin der EU-Delegation in der Ukraine, Katharina Mathernova, dass die Ukraine frühestens im Jahr 2030 mit einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union rechnen könne. Die US-amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg hat dieses Datum sogar noch weiter nach hinten verschoben und meinte, dass der Prozess der europäischen Integration der Ukraine mindestens zehn Jahre dauern werde. In Polen hiess es sogar, die Ukraine werde erst dann Mitglied der EU werden können, wenn sie die Korruption ausgemerzt habe – also niemals. Harte Worte!
Das Mantra, dass die Ukraine Mitglied der EU und der NATO werden wird, ist so, als würde man eine Karotte vor dem Esel herführen. Am Ende des Treffens war es nur noch peinlich: Selenskyj legte seinen Treueschwur auf Europas Demokratie, Toleranz und anderen Unsinn ab und erklärte, dass er Russland bis zum letzten Ukrainer bekämpfen werde. Damit endete das Treffen.
Das Selenskyj-Regime, das zuvor alles bekommen hat, was es wollte, verliert nun nach der amerikanischen offenbar auch die europäische Hilfe. Infolgedessen, wahrscheinlich aus einem gewissen Schamgefühl heraus, hat die europäische Presse das historische Treffen in Kiew einfach nicht zur Kenntnis genommen. Sie zog Schweigen vor. Der polnische Präsident Andrzej Duda erklärte kürzlich: «Die Ukraine soll alleine untergehen, um nicht noch jemanden mit in den Abgrund zu reissen!»
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Dies ist der Newsletter von Marco Caimi, Arzt, Kabarettist, Publizist und Aktivist. Aus Zensurgründen präsentiert er seine Recherchen nebst seinem YouTube-Kanal Caimi Report auf seiner Website marcocaimi.ch. Caimis Newsletter können Sie hier abonnieren.