Die Auseinandersetzung mit dem neusten Buch der amerikanischen Philosophin Susan Neiman hat in deutschsprachigen Medien einige Reaktionen ausgelöst. Neiman ist bekannt für ihr Engagement gegen Antisemitismus. Auch ihre Positionen im Rahmen der deutschen Israel-Debatte sind breit rezipiert worden.
Ihr neues Buch bietet eine fundierte und ruhige Kritik an der «Wokeness»-Bewegung, die ursprünglich aus dem linken Spektrum stammt. Neiman argumentiert, dass die Bewegung von ihren ursprünglichen linken Prinzipien abgewichen sei und sich stattdessen auf Identitätspolitik und Stammesdenken konzentriere, anstatt auf den Universalismus und den sozialen Fortschritt für alle Menschen, wie es die Aufklärung postuliere.
Neiman wehrt sich gegen die Vorstellung, dass nur Opferstimmen als authentisch gelten sollen, und betont, dass Schmerz und Freiheit, wie sie in der Kunst zum Ausdruck kommen, universale Themen seien. Sie kritisiert Ideologien der kulturellen Aneignung und sieht diese in gefährlicher Nähe zu autoritären Denkweisen.
Als geistige Väter der fehlgeleiteten Linken sieht Neiman so gegensätzliche Denker wie Michel Foucault und Carl Schmitt, die beide den Universalismus und den Fortschritt skeptisch sahen. Sie argumentiert, dass die «Wokeness-Bewegung» ohne Universalismus keine starken Argumente gegen Rassismus biete und stattdessen einen Machtkampf zwischen Stämmen fördere.
Neiman hebt hervor, dass die Aufklärer den Zweifel als grundlegend ansahen, während der «Wokeismus» davon ausgehe, die Wahrheit bereits gefunden zu haben. Sie behauptet, dass die «Wokeness-Bewegung» trotz ihrer progressiven Rhetorik in Wirklichkeit Ideen teile, die rechten Ideologien ähnelten. Der Zweifel und die Suche nach Wahrheit waren für die Aufklärung hingegen von zentraler Bedeutung.