Die britische Innenministerin Stella Braverman hielt kürzlich vor dem American Enterprise Institute in Washington, D.C. eine Rede. Darin kritisierte sie, die internationale Gemeinschaft habe es versäumt, die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu reformieren.
«Der erste [Grund] ist einfach, dass es sehr schwierig ist, diese Instrumente neu zu verhandeln. Der zweite Grund ist viel zynischer. Die Angst, als rassistisch oder illiberal abgestempelt zu werden. Jeder Versuch, die Flüchtlingskonvention zu reformieren, führt dazu, dass man als flüchtlingsfeindlich verunglimpft wird», sagte sie.
Zu Beginn ihrer Rede erklärte sie, dass unkontrollierte und illegale Einwanderung eine «existenzielle Herausforderung» für Europa und die USA darstelle.
Sie wies darauf hin, dass die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Flüchtlingskonvention die Schwelle gesenkt habe. Asylbewerber müssten nur noch nachweisen, dass sie diskriminiert würden, nicht aber, dass ihnen tatsächlich Folter, Tod oder Gewalt drohe.
Dies löste eine Kontroverse aus und führte zu verschiedenen Reaktionen: Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) verteidigte die Flüchtlingskonvention von 1951 und widersprach Bravermans Unterscheidung zwischen Verfolgung und Diskriminierung. Er unterstrich die Bedeutung der Konvention und forderte eine konsequentere Anwendung sowie eine Beschleunigung der Entscheidungsprozesse im Vereinigten Königreich angesichts des dortigen Rückstaus an Asylanträgen.
Verschiedene Menschenrechtsorganisationen widersprachen Bravermans Behauptungen. Sie wiesen auf die Wichtigkeit des Asylrechts für Menschen hin, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert werden.
Einige Mitglieder der regierenden konservativen Partei, der Braverman angehört, warfen der Ministerin Effekthascherei vor.
Braverman selbst verteidigte ihre Position, indem sie betonte: Sie strebe eine Reform der Flüchtlingskonvention an und nicht den Austritt ihres Landes. Solche Bestrebungen hatte es innerhalb der konservativen Partei gegeben.
Insgesamt hat Bravermans Äusserung zu einer lebhaften Debatte über das Asylsystem und die Flüchtlingskonvention geführt. Die UN und Menschenrechtsorganisationen hoben die Bedeutung der Konvention hervor und verteidigten ihre Anwendung, während einige Kritiker Braverman vorwerfen, politische Manöver zu betreiben.
Es ist sicher richtig, eine Debatte darüber zu führen, wie weit das Asylrecht gehen soll. Eine ehrliche Debatte kann aber nicht vor dem Hintergrund stattfinden, dass in der EU Videos aus dem Internet zensiert werden, die in erster Linie junge Männer auf der italienischen Insel Lampedusa zeigen.