«Es war September in Athen – Akropolis adieu!» sang Mireille Mathieu in den Siebzigerjahren. Nun gilt es in Griechenland nicht nur vom Sommer Abschied zu nehmen, sondern auch von einer der grössten sozialpolitischen Errungenschaften: dem Achtstundentag.
Dem von 1936 bis 1941 autoritär regierenden Ministerpräsidenten Ioannis Metaxas (griechisch Ιωάννης Μεταξάς) wurde bis in die jüngste Zeit seine Sozialpolitik zugutegehalten. Er führte den Achtstundentag und die Altersrenten ein. Früher war von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang Arbeitszeit.
Jetzt soll das Vergangenheit sein. Ein neues Arbeitsgesetz, über das am letzten Donnerstag im Parlament abgestimmt wurde, schafft die 40-stündige Arbeitswoche ab. Auch sollen Angestellte mehr als fünf Tage in der Woche arbeiten. Kritisiert wird ausserdem, dass Pausen während der Arbeitszeit durch das neue Gesetz nicht mehr obligatorisch sind.
Man ist in Sachen Sozialabbau in Griechenland einiges gewöhnt. Als die Tochter des Schreibenden während der Finanzkrise dort zur Schule ging, mussten die Eltern das Druckerpapier und die Toner liefern, weil das Budget dafür gekürzt wurde. Geheizt werden konnte die Schule nur, weil ein Vater, der bei der Fluggesellschaft Aegean arbeitet, von dort Sprit abgezügelt hat. Und Fahrstrecken, für die man früher eine Stunde brauchte, schaffte man nun in zehn Minuten.
Aber die konservative Regierung, die von dem in Amerika geschulten Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis geführt wird, geht extrem weit. Die maximale Arbeitszeit soll auf 13 Stunden pro Tag und 78 Stunden pro Woche erhöht und ausserdem Teilnehmer eines illegalen Streiks mit einer Busse von EUR 5’000 bestraft werden können.
Diese neue Regelung und die extremen Lohnkürzungen der letzten zehn Jahre haben zwar die Wettbewerbsfähigkeit des Landes wiederhergestellt – aber zu welchem Preis?
Aber auch eine den Finanzmärkten und den internationalen Organisationen hörige Regierung kann sich den Marktmechanismen nicht verschliessen. Die grassierende Arbeitskräfteknappheit führt in verschiedenen Sektoren wieder zu steigenden Löhnen.
Aber auch da scheint die Regierung ein Rezept dagegen gefunden zu haben: 300’000 illegale Asylsuchende, vor allem aus muslimischen Ländern, sollen mit Arbeitsbewilligungen ausgestattet werden. Bisher ist der Widerstand gegen Sozialabbau und forcierte Internationalisierung – auch wenn diese den Werten der griechischen Gesellschaft widerspricht – erstaunlich gering.
Im Oktober gibt es bei den Lokalwahlen aber einen weiteren Test.
Minister Adonis Georgiadis von der Regierungspartei Nea Dimokratia sagte es so: «Entweder sind die Griechen mit unserem Vorgehen einverstanden oder sie sind im Tiefschlaf.»
Das ist der gleiche Adonis Georgiadis – er gehörte früher der rechtsextremen Partei LAOS an –, der vor zwei Jahren den Ungeimpften den Tod wünschte. Die Worte waren damals vom Inhalt und der Wortwahl her derart ungeheuerlich und erinnern an finsterste Zeiten, dass ich sie weder zitieren noch übersetzen möchte (hier ist diese Entgleisung in griechischer Sprache nachzulesen).
Im Ausland ist wohl nur deshalb nicht bemerkt worden, wess’ Vater’s Kind der griechische Minister ist, weil kaum mehr jemand der Sprache Homers mächtig ist.
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