Die Eheschliessung für gleichgeschlechtliche Paare soll auch in Griechenland in den kommenden Monaten Realität werden. Bisher ist nur die entsprechende eingetragene Partnerschaft erlaubt. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) präsentierte am Mittwoch in einem Interview gegenüber dem staatlichen Fernsehen ERT die wichtigsten Punkte der Neuregelung.
Der Regierungschef verwies darauf, dass in Europa bereits 20 Länder die Ehe für Homosexuelle gesetzlich verankert hätten, 15 davon seien Mitglieder der Europäischen Union. Gleichzeitig machte Mitsotakis deutlich, dass die Adoption eines Kindes aus einer Leihmutterschaft oder künstlichen Befruchtung ausgeschlossen bleibe.
Im Vorfeld des Interviews hatte es Spekulationen gegeben, dass die ND die Ehe für alle eventuell auf die lange Bank schieben könnte. Als Gründe dafür wurden nicht nur die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni genannt. Widerstände gibt es nicht nur in anderen Parteien und in Teilen der Zivilgesellschaft, sondern auch in den eigenen Reihen.
Nicht zuletzt äusserte die griechisch-orthodoxe Kirche immer wieder Bedenken. Die Kirche werde sich dann äussern, so der Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Hieronymos, wenn von Regierungsseite Konkretes vorliege.
Noch ist nicht klar, wann genau das Gesetz im Parlament eingebracht wird. Es kann aber schon jetzt als sicher gelten, dass es mit einer bequemen Mehrheit verabschiedet werden wird. Die Oppositionspartei «Koalition der Radikalen Linken», SYRIZA, hat über ihren Vorsitzenden Stefanos Kasselakis bereits deutlich gemacht, dass sie die Reform befürworten werde. Kasselakis gehört selbst der LGTB-Gemeinschaft an. Der Amerikagrieche zog erst vor einigen Monaten aus Florida nach Griechenland und wurde auf intransparente Art als Parteichef eingewechselt.
In der Regierungspartei steht vor allem eine Gruppe um den ehemaligen Ministerpräsidenten Antonis Samaras der Neuregelung kritisch gegenüber. Mitsotakis versuchte, sie zu überzeugen, an der Abstimmung nicht teilzunehmen. Samaras entgegnete, dass Politiker die Bürger immer auffordern würden, an Wahlen teilzunehmen. Deshalb müssten Politiker mit gutem Beispiel vorangehen. Samaras kündigte an, mit «nein» zu stimmen.
Die Regierung versucht, das Projekt durchzuziehen, obwohl es in der Bevölkerung deutlich keine Mehrheit hat. Etwa die Hälfte der Griechinnen und Griechen (49 Prozent) sprachen sich in einer Umfrage des Unternehmens ALCO dagegen aus; nur 35 Prozent stimmen der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu.
Kommentar Transition News:
Es mutet seltsam an, dass die griechische Regierung ein Projekt prioritär vorantreibt, das die Bevölkerung spaltet und dort kaum mehrheitsfähig ist. Ausserdem geht es an den realen Sorgen und Nöten der Griechinnen und Griechen vorbei.
Ein wichtiger Verbündeter der Regierung in diesem Bereich ist der Chef der oppositionellen SYRIZA. Stefanos Kasselakis ist ein amerika-griechischer Investmentbanker, der die letzten Jahrzehnte in den USA verbracht hat. Mit der griechischen Linken hatte er bisher nichts am Hut. Im letzten Sommer tauchte er unvermittelt in Hellas auf, wurde als Parteichef praktisch eingeflogen und allen verdienten Politikern, die das Land aus der Finanzkrise geführt hatten, vorgezogen. Es wurde zudem kürzlich ruchbar, dass Ministerpräsident Mitsotakis, eigentlich ein politischer Gegner, ihm 2019 einen Ministerposten angeboten hatte.
Die Regierung hat innenpolitisch mit diesem Projekt nichts zu gewinnen. Mitsotakis schaut aber auch auf sein Image im Ausland. Seit der Ermordung des intergren Präsidenten Kapodistrias im Jahr 1831 wird das Land fast ununterbrochen durch oligarchische Politikerfamilen regiert, die mit ihren Parteien feste Verbindungen ins Ausland pflegen. Im 19. Jahrhundert sprach mit von der «russischen Partei», der «französischen Partei» und der «englischen Partei». Heute wird es nicht mehr so genannt. Aber die regierende ND scheint die «amerikanische Partei» zu sein.
Und damit ist klar, dass dieser Tagesordnungspunkt für das griechischen Parlament nicht in Hellas formuliert wurde.
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