Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat entschieden, dass die Stadtbücherei Münster Warnhinweise von zwei politisch umstrittenen Büchern entfernen muss. Die betreffenden Aufkleber bezeichneten die Werke als «umstritten» und betonten, sie würden «im Sinne der Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt». Diese Einordnung, so das Gericht, stelle eine unzulässige inhaltliche Bewertung durch eine öffentliche Institution dar und greife in die Grundrechte der Autoren ein. Das berichtete letzte Woche der Newsletter des Schweizer Buchhandels, während das Urteil in den Leitmedien kein Thema ist.
Gegen die Praxis geklagt hatte unter anderem der Journalist und Buchautor Gerhard Wisnewski, dessen Werk «Verheimlicht – Vertuscht – Vergessen 2024» betroffen war. Auch das Buch «Putin – Herr des Geschehens?» des ehemaligen Schweizer Nachrichtendienstlers Jacques Baud war mit einem entsprechenden Hinweis versehen worden.
Ein erster Antrag Wisnewskis auf einstweilige Verfügung war im April 2025 vom Verwaltungsgericht Münster abgelehnt worden. Die Richter sahen in der Kennzeichnung einen gerechtfertigten Eingriff im Rahmen des nordrhein-westfälischen Kulturgesetzbuchs, das öffentlichen Bibliotheken die Förderung der demokratischen Willensbildung als Aufgabe zuweist.
Das OVG Münster widersprach dieser Auslegung nun klar: Der Hinweis verletze sowohl die Meinungsfreiheit als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Autors. Es sei nicht Aufgabe von Bibliotheken, Bücher zu kommentieren oder inhaltlich einzuordnen. Ihre Rolle bestehe allein darin, eine Auswahl zu treffen – nicht aber darin, die Nutzer in ihrer Meinungsbildung zu lenken.
«Bibliotheksnutzer sind mündige Staatsbürger. Ihnen muss eine ungehinderte Information ermöglicht werden, ohne dass sie durch behördliche Hinweise gelenkt werden», heißt es in der Entscheidung.
Das Urteil ist rechtskräftig und nicht anfechtbar. Es dürfte Signalwirkung haben: Auch andere Bibliotheken, die ähnlich verfahren, müssen künftig auf derartige Kennzeichnungen verzichten.
Trotzdem bleibt die Diskussion um politische Einordnung in Bibliotheken aktuell. Der Berufsverband «Information Bibliothek», dem rund 5200 Mitglieder angehören, hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, sogenannte «rechte» Bücher entweder mit Warnhinweisen zu versehen oder sie durch Werke mit alternativer Perspektive zu flankieren.
Wie sich dieses Spannungsfeld künftig entwickelt, bleibt abzuwarten. Das Gericht hat jedenfalls klargestellt: Die Entscheidung, was gelesen wird – und wie es bewertet wird – liegt bei den Leserinnen und Lesern.