Vor über drei Jahrzehnten starteten Öl- und Gasunternehmen in den USA ihre Kampagne zur Förderung des Recyclings. Damals stellten sie das Verfahren als praktikable und nachhaltige Lösung für das Problem der Plastikverschmutzung dar. Konnten sie ihre vollmundigen Versprechen umsetzen?
Diese Frage beleuchtet ein Artikel im Portal The Intercept. Der grösste Teil des Plastikmülls wird nach wie vor verbrannt oder deponiert, weniger als ein Zehntel wird recycelt, und Mikroplastik wurde praktisch überall auf der Erde gefunden, selbst in der menschlichen Blutbahn.
Deshalb schwenkt die petrochemische Industrie nun auf eine andere Lösung um: das sogenannte «fortschrittliche Recycling», auch als «chemisches Recycling» bezeichnet. Mit dieser Technologie kann man angeblich selbst die am schwersten zu recycelnden Kunststoffe in «nachhaltige» Kraftstoffe oder Öle und Chemikalien umwandeln, die man dann für die Produktion neuer Kunststoffe verwenden kann.
Doch wie The Intercept informiert, scheinen ernste Zweifel an dieser neuen Methode angebracht. So kommt ein 159-seitiger Bericht, der im Oktober 2023 von Beyond Plastics und dem International Pollutants Elimination Network (IPEN) veröffentlicht wurde, zu dem Schluss, dass diese Technologie nicht in der Lage sein wird, die weltweit wachsende Plastikbelastung auch nur ansatzweise zu verringern.
In dem bisher umfassendsten Bericht über chemische Recyclinganlagen untersuchten die Forscher die Tätigkeiten von elf Unternehmen in den USA, um die Behauptung der Kunststoffindustrie zu überprüfen, dass «chemisches Recycling» erheblich zur Verringerung der weltweiten Kunststoffverschmutzung beitragen könne.
«Die derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und Daten stützen diese Behauptung nicht und lassen den Schluss zu, dass das ‹chemische Recycling› die Ausweitung der Kunststoffproduktion fördern würde, während es durch Emissionen, Abfallaufkommen, Energieverbrauch und kontaminierte Abfälle zu inakzeptablen Umwelt- und Sozialschäden sowie Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit führen könnte», schreiben die Autoren des Berichts.
Die Forscher fanden zudem heraus, dass die elf existenten Anlagen zusammengenommen weniger als 1,3 Prozent des jährlichen Kunststoffabfalls verarbeiten können. Darüber hinaus ist unklar, ob viele der Anlagen überhaupt mit ihrer angegebenen Höchstkapazität arbeiten.
«Bei vielen dieser Anlagen ist nicht bekannt, wie viel Kunststoff sie tatsächlich verarbeitet haben. Es gibt keine Verpflichtung zur Offenlegung dieser Daten», erklärte Jennifer Congdon, die den Bericht mitverfasst hat und stellvertretende Direktorin von Beyond Plastics ist, gegenüber The Intercept.
Die mangelnde Transparenz im Zusammenhang mit chemischen Recyclinganlagen sei besonders besorgniserregend, wenn man bedenke, dass fünf der elf Anlagen öffentliche Subventionen in Form von Bundeszuschüssen, staatlichen Steuererleichterungen, zinsgünstigen grünen Anleihen oder staatlichen Kreditbürgschaften erhalten hätten. Insgesamt bezeichnet der Bericht die Technologie als «gefährliche Enttäuschung».
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