Gestern ging eine Meldung durch alle Schweizer Medien: «Nationalrat will Bargeldversorgung in die Verfassung schreiben», titelte etwa Swissinfo. Auf den ersten Blick eine gute Nachricht für diejenigen, die befürchten, dass das Bargeld in der Eidgenossenschaft abgeschafft und ein digitales Zentralbankgeld (CBDC) eingeführt werden könnte. Doch Vorsicht ist geboten.
Worum es geht: Die Freiheitliche Bewegung Schweiz (FBS) hatte die Volksinitiative «Ja zu einer unabhängigen, freien Schweizer Währung mit Münzen oder Banknoten (Bargeld ist Freiheit)» lanciert, die im Februar 2023 mit über 137.000 beglaubigten Unterschriften eingereicht wurde. 100.000 solcher Unterschriften sind jeweils nötig, damit eine Volksinitiative zustande kommt. Das bedeutet, dass die Stimmbürger über die Vorlage abstimmen können, sollte das Parlament, bestehend aus National- und Ständerat, sie nicht vorher annehmen.
Gestern hat nun der Nationalrat über die «Bargeld-Initiative» beraten und beschlossen, sie abzulehnen. Angenommen hat die Kammer hingegen den Gegenvorschlag des Bundesrates. Nun geht das Geschäft an den Ständerat. Stimmt dieser dem Gegenvorschlag ebenfalls zu, können die Initianten diesen annehmen und die Initiative zurückziehen. Das wird aber höchstwahrscheinlich nicht geschehen.
Die großen Medien und die meisten Politiker verschweigen nämlich wichtige Details, auf die die FBS auf ihrer Website aufmerksam macht. Zum Gegenentwurf schreibt die Organisation:
«Wir können leider nicht bestätigen, dass die Politik verstanden hat, was wir fordern. Der Bundesrat weiss jedoch genau, was er sich offen lässt.»
Laut Initiative sollte die Bundesverfassung wie folgt geändert werden:
«Der Bund stellt sicher, dass Münzen oder Banknoten immer in genügender Menge zur Verfügung stehen.
Der Ersatz des Schweizerfrankens durch eine andere Währung muss Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet werden.»
Der Gegenvorschlag des Bundesrats lautet hingegen:
«Die schweizerische Währung ist der Franken.
Die Schweizerische Nationalbank gewährleistet die Bargeldversorgung.»
Zentrale Unterschiede sind also, dass im Initiativtext der «Bund» die Versorgung von «Münzen oder Banknoten garantiert, während im Gegenvorschlag die «Nationalbank» die «Bargeldversorgung» sicherstellt. Die FBS meint dazu:
«Nun stellt sich die Frage, was der Bundesrat unter «Bargeldversorgung» versteht. Die Notenbank besitzt keine regulatorische Befugnis, die Banken zu zwingen, ihren Kunden Bargeldauszahlung anzubieten und ein Netz von Filialen und Automaten für Unternehmen und Privatmenschen zu unterhalten. Somit liefert die Formulierung des Bundesrats einen Hinweis, dass der Verfassungsartikel lediglich gewährleisten soll, dass die Nationalbank den Banken nach deren Bedürfnis Bargeld bereitstellt. Ob die Banken aber der Gesellschaft gerecht werden und einen guten Zugang zu Bargeld sicherstellen, steht auf einem anderen Blatt.»
In einer Medienmitteilung ergänzen die Initianten, ihr Anliegen sei es, sicherzustellen, dass «die Politik – also die Vertreter des Volkes – die Währungshüter sind und nicht die Schweizerische Nationalbank (SNB)». Die SNB könne als Aktiengesellschaft diese Verantwortung nicht übernehmen.
Weiter kritisiert die Organisation auf ihrer Website, dass die Volksinitiative auf «die physische Beschaffenheit von Bargeld hinweist (‹Banknoten und Münzen›, also Papier- und Metallgeld)», der Bundesrat hingegen «nur von ‹Bargeld› spricht». Die FBS weiter:
«Spitzfindige Juristen, welche diesen Ansatz dem IWF bereits vorgeschlagen haben, könnten daher irgendwann argumentieren, dass eine staatliche Digitalwährung aus Bits und Bytes, die sich Grundeigenschaften von Bargeld teilt, deren Geldeinheiten aber keinen physischen Körper aus Papier oder Metall besitzen, ebenfalls verfassungsgemäßes Bargeld wäre.»
In der Medienmitteilung erläutert die FBS, dass der Begriff «Bargeld» keine präzise rechtliche Definition habe und auch digitale Währungen einschließen könnte.
Diese Bedenken seien gestern im Nationalrat nur sehr selten thematisiert worden, so in den Redebeiträgen der Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP) Paolo Pamini, Roland Rino Büchel und Lukas Reimann sowie von Lorenzo Quadri (Lega dei Ticinesi), erklärt die FBS.
Die Initianten beanstanden zudem, dass es der Bundesrat anscheinend versäumt hat, «das Parlament darüber zu informieren, dass das SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft) eine zentrale Rolle bei der Abschaffung des Bargelds spielt» und dass die Schweizer Regierung die ‹Better Than Cash Alliance› mit jährlich zwei Millionen Franken finanziert. Sie weisen darauf hin, dass zu den Partnern der Allianz auch die Gates Foundation und die von der Regierung des US-Präsidenten Donald Trump ins Visier genommene United States Agency for International Development (USAID) gehören.
Nach eigenen Angaben wird die FBS die Debatte im Ständerat «mit großem Interesse verfolgen». Die Initianten bleiben demnach «offen für Gespräche mit den Parteien und dem Bundesrat», betonen jedoch, «dass der Gegenvorschlag des Bundesrates die wesentlichen Anliegen der Initiative nicht vollständig berücksichtigt».
Die Verwirrung mancher Politiker bezüglich der Vorlage zeigt sich zum Beispiel an den Äußerungen von Jacqueline Badran (SP/ZH) gestern im Nationalrat:
«Ich habe kein Verständnis für diese Initiative. Sie ist nämlich dazu gemacht worden, Ängste zu schüren und Verschwörungserzählungen unter die Bevölkerung zu säen, man könnte das Bargeld abschaffen und hinterrücksli den Euro einführen», so Badran.
Badran ist auch der Ansicht, dass Bargeld «die Währung der Schwarzgelder und der Geldwäscherei» ist, «weil es keine digitalen Spuren hinterlässt». Das stimmt zwar, doch niemand reist heute beispielsweise mit Koffern voller Bargeld auf die Cayman-Inseln.
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