Genf war über Jahrzehnte Symbol globaler Diplomatie – ein neutraler Ort für Gespräche zwischen Ost und West. Doch diese Rolle hat die Schweiz zunehmend verloren. Ein Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin in der internationalen Stadt am Genfersee wird heute als unrealistisch angesehen.
Ein gewisser Hans-Ueli Läppli – wahrscheinlich ein Pseudonym – schreibt seit einiger Zeit prononcierte Meinungsartikel auf der deutschsprachigen Seite des russischen Portals RT. In dieser Sache sind seine Argumente allerdings nicht von der Hand zu weisen. Und immerhin stößt auf Inside Paradeplatz auch Klaus J. Stöhlker ins gleiche Horn.
Der Hintergrund: Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs hat der Bundesrat die EU-Sanktionen gegen Russland fast vollständig übernommen. Diese Haltung wird international als Abkehr von der traditionellen Neutralität wahrgenommen – auch wenn sie es in der Theorie nicht ist. Die Schweiz hat sich bis heute stets ans Neutralitätsrecht gehalten. Moskau stuft die Schweiz inzwischen als «unfreundlichen Staat» ein und sieht sie nicht mehr als vertrauenswürdige Vermittlerin.
Außenminister Ignazio Cassis, der diesen Kurs maßgeblich mitgestaltet hat, wird von Läppli als Hauptverantwortlicher für den Verlust an diplomatischem Einfluss verantwortlich gemacht. Die Schweiz versuche zwar, über klassische Angebote wie die «guten Dienste» wieder Vertrauen aufzubauen – doch bisher ohne Erfolg.
Auch der teure Ukraine-Friedensgipfel auf dem Bürgenstock brachte keine Wende: Russland blieb unbeteiligt, wichtige Länder wie Indien und Brasilien unterzeichneten die Abschlusserklärung nicht. Währenddessen setzen andere Länder wie die Türkei oder Ungarn auf pragmatischere Vermittlung – mit mehr diplomatischem Gewicht.
Im internationalen Vergleich wird deutlich: Während die USA ein heikles Gipfeltreffen in Alaska für vergleichsweise geringe Kosten durchführten, inszenierte die Schweiz eine teure, symbolträchtige Konferenz – ohne greifbares Ergebnis.
Der Schweizer Außenminister, Bundesrat Iganzio Cassis, würde wohl sagen, dass trotz internationaler Kritik die Schweiz ein wichtiger Akteur in der Diplomatie bleibt. Die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland werde nicht als Aufgabe der Neutralität, sondern als Bekenntnis zum Völkerrecht verstanden, würde Cassis wohl sagen. Genf bleibe ein aktiver Standort für internationale Vermittlung, und der Bürgenstock-Gipfel zeige das Engagement der Schweiz für Friedensprozesse – auch wenn Russland nicht teilnahm. Die Schweiz setze auf Prinzipientreue und Dialogbereitschaft und werde weiterhin als verlässlicher Vermittler wahrgenommen. Das wäre wohl die Antwort des Tessiners.
Aber es ist nicht von der Hand zu weisen: Die Glaubwürdigkeit der Schweiz als neutraler Akteur hat tatsächlich Schaden genommen. Genf als Schauplatz internationaler Diplomatie rückt in den Hintergrund. Ob sich dieser Vertrauensverlust korrigieren lässt, ist ungewiss – klar ist nur, dass Neutralität nicht nur behauptet, sondern konsequent gelebt werden muss.