Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen.
Bundesrat Hans-Peter Tschudi (Schweizer Innenminister 1959-1973 und «Vater» der staatlichen Rentenversicherung AHV)
Liebe Leserinnen und Leser
Das Schweizer Stimmvolk hat am Wochenende gegen den Willen von Parlament und Regierung eine Initiative gutgeheissen, die den Rentnerinnen und Rentnern der staatlichen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) eine 13. Altersrente gewährt. Es handelte es sich dabei um eine Volksinitiative von Gewerkschaftskreisen.
In der Schweiz dürfen Bürger – vereinfacht gesagt - einen Verfassungszusatz formulieren und dafür 100’000 Unterschriften sammeln. Dann muss eine Volksabstimmung stattfinden. Wenn eine Mehrheit der Stimmenden und eine Mehrheit der Kantone die Initiative annimmt, dann erhält der Verfassungszusatz Rechtskraft. Regierung und Parlament haben dazu nichts mehr zu sagen und müssen die Initiative nur ausführen.
So geschehen am Sonntag. Jubel und Freudentränen bei den Befürwortern und der B-Schweiz, betretene Gesichter und Wut bei den Wirtschaftsdachverbänden und der A-Schweiz. Wortkargkeit beim Bundesrat, der Landesregierung. Warum ist dieser Entscheid derart historisch?
Man muss wissen, dass es in Helvetien keinen grösseren und effizienteren Umverteilungsmechanismus gibt als die AHV, wie das Eingangszitat deutlich macht. Nicht die Steuern verteilen das meiste Geld von Reich nach Arm, sondern die AHV. Das hat damit zu tun, dass sie für alle obligatorisch ist. Die Leistungen sind aber gegen oben begrenzt – die Maximalrente ist schnell erreicht – aber die Beitragspflicht gilt unbegrenzt und für alle Einkommen, inklusive diejenigen der Superreichen.
Sozialpolitische Vorlagen haben es traditionell beim Stimmvolk schwer. Warum gelang es dieser Initiative nun, sowohl die Hürde beim Volks- wie auch beim Ständemehr locker zu überspringen?
Das hat mit dem Verhalten der Wirtschaftselite zu tun. Das ungeschriebene Gesetz war: Die Chefs sind zurückhaltend mit Löhnen, Boni etc. und das Volk ist zurückhaltend bei Forderungen im Sozialbereich.
Noch in den 90er Jahren hat das bestens funktioniert. Die Chefs, auch in international tätigen Grossfirmen waren meist Schweizer. Ihre Lebenswirklichkeit war nicht extrem unterschiedlich von derjenigen einer Mittelklassefamilie. Sie gingen hier ins Militär, wurden lokal sozialisiert, zahlten Steuern und zogen höchstens für die Lehr- und Wanderjahre weg.
Mit zunehmender Internationalisierung wurde es anders. Schweizer Konzerne gründeten immer mehr Ableger im Ausland, und es kamen nicht nur immer mehr Fachkräfte in die Schweiz, sondern auch ausländische Manager. Für sie war das Land Mittel zum Zweck, oft nur eine Station ihrer Karriere. Dann kamen auch die Schweizer Wirtschaftsführer auf den Geschmack.
Das Verhalten der Wirtschaftselite wurde deshalb zunehmend zum Thema. Einerseits gab es Pleiten, die zwischen den 30er- und den 90er Jahren nicht denkbar waren. Erinnert sei nur an die Swissair und die UBS – und jüngst an die Tatsache, dass im Falle der Credit Suisse wieder der Staat zu Hilfe gerufen werden musste.
Gleichzeitig waren die Lohnexzesse und die Heuchelei in den Chefetagen für jeden deutlich sichtbar, der in solchen Firmen arbeitete, aber nicht wegschaute. Ich könnte hier ziemlich viel aus dem Nähkästchen plaudern – wenn ich denn wollte. Es war die Wirtschaftselite, die dieses ungeschriebene Gesetz gebrochen hat.
Ein Argument, das man oft hörte, war, dass Milliardenbeträge für alles Mögliche vorhanden waren (zum Beispiel während der Coronazeit), nur nicht für die soziale Sicherheit, dass die Schweiz ein Paradies für Arbeitgeber sei, dass dazu dann aber auch ein gut ausgebautes Sozialsystem gehören würde.
Folgerichtig wurde am gleichen Sonntag eine Volksinitiative der jungen FDP wuchtig abgelehnt, die das Rentenalter flexibilisieren (sprich: erhöhen) wollte. Bei den Mitgliedern der jungen FDP handelt es sich sehr oft um Angehörige einer bürgerlichen «Bubble», um verwöhnte Zöglinge wohlhabender Familien aus dem Speckgürtel der Agglomerationen, die nicht mitbekommen haben, dass zum Beispiel die Senkung der Umwandlungssätze bei den firmeneigenen Pensionskassen für viele Menschen eine reale Senkung der erwarteten Renten bedeutet und dass heute auch 60-jährige ohne mit der Wimper zu zucken entlassen werden – mit sehr schlechten Karten auf dem Stellenmarkt.
Der liberalen Arbeitsgesetze wegen darf man in der Schweiz problemlos bei Stellenbewerbungen Junge, Frauen oder französischsprachige Schweizer bevorzugen.
Dass es solche Selektionskriterien gibt, würde niemand zugeben, es ist aber eine Tatsache. In Sonntagsreden wird über den Fachkräftemangel lamentiert und die Tatsache, dass auch ältere Mitarbeitende willkommen seien, und von montags bis freitags haben diese dann bei Bewerbungen schlechte Karten. Dafür winkt ihnen jetzt eine 13. Rente.
Da sind wir wieder bei der Heuchelei der Chefetage, die sich jetzt wundert, dass die erstgenannte Initiative angenommen wurde.
Herzlich
Daniel Funk
P.S. Im Juni stimmt die Schweiz über die Prämienentlastungs- und die Kostenbremse-Initiative ab. Der Abstimmungskampf dürfte demnächst losgehen.
Am gleichen Datum kommt die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» zur Abstimmung. Sie verlangt, dass jeder Eingriff in die körperliche und geistige Unversehrtheit einer Person (zum Beispiel eine Impfung) der Zustimmung bedarf. Eine Verweigerung der Zustimmung darf weder bestraft werden noch dürfen daraus soziale oder berufliche Nachteile erwachsen (zum Beispiel 2G oder 3G). Es wird sich weisen, ob die Diskussion um die 13. AHV-Rente und die Krankenkassenprämien auch dieser Initiative Schub geben kann.
***********************
Hinweise:
Herzlichen Dank an alle, die Transition News treu unterstützen und damit unsere Arbeit und Unabhängigkeit erst ermöglichen!
***********************
Transition News-Jahrbuch 2023
Es freut uns sehr, mitteilen zu dürfen, dass unser neues Jahrbuch 2023 erschienen ist. Das übergeordnete Thema ist die Spaltung der Gesellschaft und wie sich diese überwinden lässt.
Das Buch aus einer Sammlung der besten Beiträge von Transition News aus dem vergangenen Jahr. Hinzu kommen Gastbeiträge von bekannten Autoren, darunter Milosz Matuschek, Christian Kreiß, Ernst Wolff und Christoph Pfluger. Zu den untergeordneten Themen gehören Krieg, Corona, Wirtschaft, Klima, künstliche Intelligenz und die Gender-Ideologie.
Unser Jahrbuch bieten wir hier zum Verkauf an. Als Geschenk werden es Grossspender und diejenigen erhalten, die ein Spenden-Abo lösen.

***********************

Hier finden Sie unsere neuen Podcasts.
***********************

Transition TV: Stand der Dinge am 1. März 2024
Swisscom, EU, AHV, illegale 5G-Antennen und Klartext von Kujat
Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
***********************
Die neue Ausgabe von «DIE FREIEN» ist da!

Haben Sie sich jemals gefragt, ob das, was Sie berühren können, alles ist, was existiert? Unsere neuste Ausgabe von «DIE FREIEN» entführt Sie auf eine aufregende Entdeckungsreise durch die Welt der Materie – und darüber hinaus.
Diesmal mit dabei: Monika Hausammann, Christoph Pfister, Volker Mohr, Olivier Kessler, Prof. Dr. Stefan Hockertz, Veronica Baumann, Martin Hartmann, Robin Bär, Josua Romano, ZeeRock, Linus Maeder, Oliver Wittwer u.v.m.
Bestellen Sie gleich hier
***********************