Ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland
fühlt sich sehr einsam. Mehr als doppelt
so viele (53 Prozent) befinden sich
nach eigenen Angaben in einer depressiven Phase.
Deutschland-Barometer-Depression 2023
Liebe Leserinnen und Leser!
Es gibt immer mehr Kommunikationsmittel und -wege für uns Normalsterbliche. So gab es bis in die 1990er Jahre hinein im Grunde nur die persönliche Begegnung, das Festnetztelefon plus Telefonzellen sowie Postkarte, Brief und Fax – und vielleicht noch Walkie-Talkies für alle mit Spieltrieb. Heute hingegen gibt es gefühlt unzählige «communication tools» on top – und übers Smartphone lassen sie sich alle, ob nun Emails, Videoanrufe oder Messaging-Dienste kinderleicht bedienen.
Zugleich setzen die Politiker alles daran, das Leben von uns Normalsterblichen immer stärker zu regulieren. «Die Regulierungsaktivität hat dramatisch zugenommen», konstatierte etwa Mark Schelker, Professor für Finanzwissenschaften, im Jahr 2022. Oder wie es das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, kurz DIW, Ende 2023 beschrieb:
«Die jedes Jahr pünktlich zum medialen Sommerloch auftauchende Forderung nach Bürokratieabbau hat schon Loch-Ness-Qualitäten bekommen. Das war nicht nur diesen Sommer so, als Justizminister Marco Buschmann ein Bürokratieentlastungsgesetz ankündigte, sondern auch vergangenen Sommer im Zusammenhang mit der Zeitenwende. Genauso vor 10 Jahren, als die Bundesregierung die mittelständische Wirtschaft von bürokratischen Auflagen entlasten wollte. Und vor 20 Jahren war es auch nicht anders, als die Bundesregierung ‹eine Initiative zum Bürokratieabbau› startete.
Unbestritten haben in diesen 20 Jahren die Bürokratielasten für die Gesellschaft netto zugenommen. Und es darf stark bezweifelt werden, dass sich das dieses Jahr ändern wird.»
Das muss man sich wirklich vergegenwärtigen: Wir Steuerzahler füttern die Politiker mit Unmengen an Geldern – und als «Dank» überziehen diese uns mit Regeln, die angeblich zu unserem Besten sind. Zugleich offeriert uns die Wirtschaft eine Flut an Kommunikationsmöglichkeiten, die unsere Lebensqualität ebenfalls erhöhen sollen und für die wir ebenfalls eine Unmenge Geld ausgeben.
Doch was haben wir tatsächlich davon? Unzählige erleiden einen «Bürokratie-Burnout», wie es das DIW formuliert, und immer mehr leiden trotz unendlich erscheinender Kommunikationsmöglichkeiten an Einsamkeit und depressiven Stimmungen ...
Das «irre» dabei ist auch, dass offenkundig oft gerade dort, wo tatsächlich (stärker) reguliert werden müsste (vor allem zum Schutz von Kindern), Regulierung unterlassen wird, um die Gewinninteressen von Konzernen nicht zu konterkarieren.
So ist kürzlich die erste Studie zur Schätzung der Werbeeinnahmen, die Social-Media-Giganten wie Google, Facebook, Instagram, Tik Tok und Youtube von US-Nutzern unter 18 Jahren erzielen, erschienen. Das Ergebnis dieser von Forschern des Boston Children’s Hospital und der Harvard University durchgeführten Untersuchung: Die Konzerne heimsten 2023 fast elf Milliarden Dollar von den Minderjährigen ein.
Bei den 13- bis 17-jährigen Nutzern lag Instagram mit Werbeeinnahmen in Höhe von vier Milliarden Dollar an der Spitze, gefolgt von Tik Tok (zwei Milliarden Dollar) und YouTube (1,2 Milliarden Dollar). Bei den jüngeren Kindern lag YouTube mit 959,1 Millionen Dollar an der Spitze, gefolgt von Instagram (801,1 Millionen Dollar) und Facebook (137,2 Millionen Dollar).
Dies veranlasste die Hauptautorin der Studie, Amanda Raffoul, Dozentin für Pädiatrie an der Harvard Medical School, zu folgendem Statement:
«Unsere Feststellung, dass Social-Media-Plattformen beträchtliche Werbeeinnahmen von Jugendlichen generieren, unterstreicht die Notwendigkeit einer grösseren Datentransparenz sowie von Massnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und von staatlichen Vorschriften.»
Wie The Defender dazu schreibt, seien in den vergangenen Jahren die Forderungen an die US-Regulierungsbehörden und Gesetzgeber lauter geworden, Big Tech in die Schranken zu weisen – insbesondere, um Kinder zu schützen. Im Mai vergangenen Jahres etwa hatte die hochrangige Gesundheitsbeamtin Vivek Murthy diese Forderungen unterstrichen, indem sie auf «die wachsende Besorgnis über die Auswirkungen sozialer Medien auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen» hinwies.
In diesem Zusammenhang habe auch das Weisse Haus Massnahmen auf Bundesebene zur Verbesserung der Online-Dienste für Kinder vorgestellt. Doch ob auch dies nur wieder Politikergeschwafel war, bei dem den Worten null Taten folgen, kann niemand ausschliessen. Und es ist nicht unwahrscheinlich, denn wenn hier ein wirkliches Interesse am Schutz von Kindern bestehen würde, dann hätte derlei Massnahmen ja längst in die Tat umgesetzt werden müssen ...
Was also könnte man tun, ausser weiterhin wachsam und kritisch zu bleiben und dabei das Kunststück zu vollbringen, nicht zu verzweifeln oder gar regelrecht wahnsinnig zu werden? Eine Option wäre, (auch) bei sich selbst Dinge zu ändern (soweit die Sachzwänge des Alltags dies zulassen).
In diesem Zusammenhang hat der Guardian einen pfiffigen Artikel publiziert, der die Headline trägt: «You have one life. Do you really want to spend it looking at your phone?» («Du hast nur ein Leben. Willst du es wirklich damit verbringen, auf dein Telefon zu schauen?»).
Demnach besteht ein zentral wichtiger Schritt darin zu realisieren, dass die Apps auf unseren Handys so konzipiert sind, dass sie süchtig machen und uns vom Leben eines richtigen Lebens fernhalten. Ihren Aha-Moment in diesem Zusammenhang beschreibt die Verfasserin des Beitrags, Catherine Price, wie folgt:
«Es war 3.30 Uhr morgens, als mir klar wurde, dass ich mich von meinem Handy trennen musste. Ich hielt mein Baby im Arm, während ich durch eBay scrollte. Ich fühlte mich vor Müdigkeit ein wenig wahnhaft, als ich eine kurze ausserkörperliche Erfahrung hatte, bei der ich die Szene wie ein Aussenstehender sah.
Da war mein Baby, das zu mir hochschaute. Und ich schaute auf mein Telefon.
Ich war entsetzt. Das war nicht der Eindruck, den ich meinem Kind von einer menschlichen Beziehung vermitteln wollte und es war auch nicht die Art, wie ich mein eigenes Leben leben wollte. In diesem Moment beschloss ich, dass ich mich von meinem Telefon trennen und eine neue Beziehung mit besseren Grenzen aufbauen musste ...
Sicherlich gibt es viele Gründe, warum wir uns mit dem beschäftigen wollen – oder müssen –, was auf unserem Handy angezeigt wird. Aber es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass unsere Aufmerksamkeit, genau wie die Zeit, eine Nullsummengleichung ist: Jede Minute, die wir mit gedankenlosem Scrollen verbringen, ist eine Minute, die wir nicht mit etwas anderem verbracht haben, mit etwas, das uns tatsächlich wichtig sein könnte. Das ist eine grosse Sache, denn diese Minuten summieren sich über Stunden, Tage, Wochen und Monate hinweg zu unserem Leben.»
Alles Gute – trotz allem!
Torsten Engelbrecht
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Transition TV, Sendung vom 5. Januar: «Die Paukenschläge zum Jahresbeginn»
Inhalt:
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???? Die USA, auch sie überfordert 7:49
???? Wahlen in Taiwan: Kommt jetzt «the big one»? 9:24
???? Kiew hat die beste Luftabwehr aller Städte des Westens. Wie dicht ist sie? 11:18
???? Wie denkt Putin über den Westen? 13:35
???? Kanzlerwechsel in Deutschland – dazu gibt es Gerüchte und Umfragen 16:36
???? «privacy washing»: Google kauft sich aus einer Milliardenklage frei 17:47
???? Eigentlich waren die Bundesratswahlen ungültig, sagt der ehemalige Vizekanzler Oswald Sigg 20:07
???? Und zum Schluss: Hinweise auf Drewermann, linksbündig und Peter Schärli 22:31
Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
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Intelligent – kann Maschine Mensch sein? Ausgabe 175 des Zeitpunkt
Der Mensch hat eine Tendenz, sich als biologische Maschine zu sehen und «intelligenten» Maschinen menschliche Züge zuzuschreiben. Die damit verbundene Abwertung des Menschlichen ist die Hauptgefahr der künstlichen Intelligenz. Diese Ausgabe zeigt, wie wir diesen Gefahren begegnen und wo die Chancen der KI liegen.
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