Es geht den Bauern bei ihren deutschlandweiten Protesten um viel mehr als nur um die von der Bundesregierung geplante Streichung sogenannter klimaschädlicher Subventionen für Agrardiesel sowie der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliches Gerät. Das sagte ein 20-jähriger Landwirt aus dem Brandenburger Landkreis Spreewald am Montag in Berlin:
«Was wir eigentlich noch wollen: jetzt langsam einen Regierungswechsel.»
Am Montag begann in Deutschland eine bundesweite Aktionswoche der Bauern, unterstützt von LKW-Fuhrunternehmen und Handwerkern sowie zahlreichen Bürgern anderer Berufe. Als Auslöser gelten die genannten Pläne der Bundesregierung. Damit will sie unter anderem Haushaltslöcher stopfen, die durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Finanzierungsplänen zum angeblichen Klimaschutz entstanden.
Drastische Aussage bei den Bauernprotesten (alle Fotos: Tilo Gräser)
Die Bauern in Deutschland fühlen sich endgültig in ihrer Existenz bedroht und demonstrieren nun für den Erhalt der Landwirtschaft – und gegen die sogenannte Ampel-Regierung aus SPD, Grünen sowie FDP und deren Politik. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hatte Ende 2023 bei einer Kundgebung angekündigt:
«Dann werden wir am 8. Januar überall präsent sein, in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat.»
Während bundesweit in zahlreichen Orten und auf zahlreichen Strassen Bauern und LKW-Fahrer gemeinsam mit Unterstützern protestieren, versammelten sich am Montag Hunderte von ihnen am Brandenburger Tor auf der Strasse des 17. Juni. Sie wärmten sich an dem winterkalten Tag unter blauem Himmel an Feuern, diskutierten mit Passanten und Unterstützern, beantworteten Journalistenfragen und zeigten immer wieder mit lauten Hupen, dass sie da sind.
Auf die Frage, ob die Proteste aufhören, wenn die zwei konkreten Forderungen erfüllt würden, sagte der 20-jährige Landwirt: «Das wird absolut nicht passieren. Wir werden weiter pochen.» Zum geforderten Regierungswechsel sagte er, dass bisher alle Parteien es «versemmelt» hätten, also keine andere Politik gemacht haben, angefangen bei der CDU.
«Die CDU war 16 Jahre an der Macht, die hat es nicht besser gemacht. Jetzt ist die neue Regierung an der Macht, und die macht es noch schlimmer. Ja, die hatten jetzt ihre Chance. Jetzt müssen einmal die ran, die ihre Chance noch nicht hatten.»
Er will der AfD eine Chance geben, die er aber «nicht in den Himmel heben» wolle. Auf den Hinweis, dass von dieser Partei eine wirklich andere Politik nicht zu erwarten sei, sagte er:
«Dann gehen wir wieder auf die Strasse. Dann ist es so, aber wir müssen es probieren.»
Klare Forderungen mit Humor
Frühzeitig kamen in den bundesdeutschen Mainstreammedien Berichte, dass die Bauernproteste «von rechts gekapert» würden. Für den jungen Landwirt aus dem Spreewald ist das eine politische Kampagne und «totaler Bullshit»:
«Wir Landwirte sind nicht rechts. Wir wollen einfach nur was erreichen. Wir wollen einfach nur unser Recht.»
Dem Vorwurf, die Proteste seien von rechts unterwandert, widersprachen auch die beiden Berlinerinnen Melanie und Marion, die eine Angestellte, die andere Rentnerin. Sie unterstützen wie viele andere die protestierenden Bauern und LKW-Fahrer in Berlin.
«Aus dem einfachen Grunde, weil alles teurer wird», sagte Melanie. Und fügte hinzu: «Weil Scholz falsch regiert. Wir nehmen Flüchtlinge auf, beliefern aber Israel mit Waffen.» Sie seien für die Bauern, denn «alles wird bei denen auch teurer, dass sie das alles nicht mehr halten können»
Immer wieder waren am Brandenburger Tor handgeschriebene Schilder zu sehen mit Aussagen wie «Wir brauchen unsere Bauern» oder «Ohne Landwirtschaft ist alles doof». Für Rentnerin Marion geht es ums Grundsätzliche: «Ich finde das für alle wichtig. Die Bauern haben den Anfang gemacht. Wir müssen hinterher. Wann wacht dieses Land mal auf?» Melanie fügte hinzu:
«Wir müssen weitermachen. Was ist mit den Heizkosten? Was ist mit den Stromkosten? Wir werden auch zu viel überwacht. Wir sind keine freien Menschen mehr und das haben die alle nicht kapiert.»
Am Rand der Demonstration standen Polizisten und hielten unter anderem eine kleine Gruppe der selbsternannten «Antifa» auf Abstand, die seit der Corona-Pandemie jeden Regierungskritiker als «rechts» diffamieren. Die Uniformierten teilten die Anliegen der Bauern, berichtete der Landwirt aus dem Spreewald aus Gesprächen.
Es gebe bisher kaum Unmut von Menschen wegen Folgen der Proteste und Blockaden, sagte er auf eine Frage danach. «Wir kriegen tatsächlich nur Zuspruch», berichtete er. «Es ist selten mal jemand dabei, der einen blöden Kommentar gibt oder uns blöd kommt.»
Handwerker unterstützen seinen Worten nach die Proteste ebenso wie Pflegefachkräfte.
«Es ist einfach der ganze Mittelstand, der steht jetzt langsam auf. Das müssen nur noch die letzten kapieren und dann werden wir es hoffentlich schaffen.»
Worum es geht, das hat auch ein Angestellter einer öffentlichen Behörde in Schleswig-Holstein verstanden, der die Bauern in Berlin unterstützt. Es gehe den Bauern «um viel mehr» als nur Vergünstigungen und Subventionen, sagte er im Gespräch.
Es geht um mehr als die Scholle der Bauern
Die Bürokratisierung sei so weit fortgeschritten, dass sie im Grunde genommen eine Gängelung sei. Das könnten die kleinen Betriebe wie in der Landwirtschaft nicht mehr leisten.
«Im Grunde genommen muss man ja schon mehr Leute dafür einstellen, um die Verwaltung zu machen als zum Arbeiten. Und das kann in keinem Betrieb gehen, wenn man nicht staatlich ist und das Geld von anderen Leuten bekommt. Die müssen das Geld ja selber erarbeiten.»
Das habe sich in den letzten Jahren angesammelt, so der Mann, etwa Ende 50. Er müsse über die Begründung dafür lachen, dass die EU das ja so vorgebe. Die Vorgaben kämen aus Berlin an Brüssel, die EU setze das um und dann begründe die Bundesregierung ihre Politik mit den EU-Beschlüssen.
«Man muss natürlich schon sehr einfältig sein, um zu denken, dass die Leute das nicht merken.»
Er warnte vor den Folgen, wenn der Mittelstand durch eine falsche Politik ausblutet und fürchtet einen «ganz straffen Sozialismus», regiert von «ein paar ganz Schlauen». Kanzler Olaf Scholz müsste abtreten, forderte er und zitierte einen Redner von der Kundgebung kurz zuvor am Brandenburger Tor. Der habe gesagt, in der Politik sei das ungefähr so wie in der Bundesliga: Wenn eine Mannschaft immer nur Niederlagen einfahre, dann müsse der Trainer zurücktreten. Scholz dürfe sogar die ganze Mannschaft mitnehmen.
Auch die Losungen an den Fahrzeugen zeigten, dass die protestierenden Bauern durchaus über ihre eigene Scholle hinausblicken und die Zusammenhänge ihrer Lage erkennen. «Schluss mit den Lügen, Hetze und Kriegstreiberei!» war auf Transparenten an einem Traktor ebenso zu lesen wie «Sanktionen & Vernichtung des Mittelstandes beenden!»
Mit einem symbolischen Sarg wurde das Transportwesen beerdigt. Dazu ein Transparent: «Der Zug fährt nicht bis zum Supermarkt. Durch die Maut mein LKW bald auch nicht mehr.»
«Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert» war auf einem Schild an einem Traktor zu lesen. An einem anderen: «Sie säen nicht, sie ernten nicht, wissen aber alles besser: Stoppt den Ampel-Irrsinn!» Bei einem weiteren stand auf dem Schild: «Stirbt der Bauer, stirbt das Land» An einem LKW wurde «Politik für das Volk und nicht für Lobby!!!» gefordert.
Mehrere der grossen Traktoren vor dem Brandenburger Tor trugen ein Schild mit dem Hinweis «Wir kommen nicht für eine ‹4-Tage-Woche› oder 2 Euro mehr Lohn. Wir kämpfen um unsere Existenz!» Und einer trug dazu tatsächlich an seinem Vorbau neben der Fahne Brandenburgs die des deutschen Staates, der bis 1990 den Ährenkranz neben Hammer und Zirkel im Staatswappen trug und sich «Arbeiter- und Bauern-Staat» nannte: die Fahne der DDR.
Noch eine Woche lang wollen die Bauern und die anderen in ganz Deutschland protestieren. Auch die Schiffer auf den Flüssen beteiligen sich und blockieren die Wasserwege. Am kommenden Montag, dem 15. Januar, wollen sie zum Abschluss mit einer Grossdemonstration zeigen, dass die Politik nicht an ihnen vorbeikommt.
«Da wird Berlin definitiv sehr dicht sein», kündigte der junge Landwirt aus dem Spreewald an. Er fügte hinzu: «Und wenn sich danach nichts ändert, dann wird weitergemacht, so lange, bis sich was ändert.»
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