Der Statistiker William M. Briggs fordert, alle formalen wissenschaftlichen Publikationen und Studien zu beenden. Man solle zu den Anfängen zurückkehren und die Wissenschaftler frei miteinander reden lassen. Er begründet seine Ansicht unter anderem mit mangelnder Wissenschaftlichkeit in der akademischen Welt und mit dem Druck, der seitens der Verlage auf die Wissenschaftler ausgeübt werden kann.
Als Beispiel nennt Briggs eine begutachtete Studie über «Genderinkongruenz», ein Zustand, bei dem sich Personen nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren. Diese Arbeit wurde zurückgezogen, doch nicht etwa wegen eines groben Fehlers, sondern aufgrund des Drucks von Aktivisten. In der Studie heisst es nämlich zum Beispiel:
«Die Eltern berichteten, dass sie sich oft von Ärzten unter Druck gesetzt fühlten, das neue Geschlecht ihres AYA-Kindes (Jugendliche und junge Erwachsene) zu bejahen und dessen Transition zu unterstützen. Nach Angaben der Eltern verschlechterte sich die psychische Gesundheit der AYA-Kinder nach der sozialen Transition erheblich.»
Bemerkenswert ist auch, dass sich die Mitautorin der Studie «Suzanna Diaz» nennt, was Briggs zufolge ein Künstlername ist. Laut dem Statistiker änderte die Wissenschaftlerin ihren Namen, weil sie Angst vor anderen Akademikern hat.
Briggs stellt fest, dass die meisten der von ihm gesichteten wissenschaftlichen Arbeiten «ungeheuerliche Fehler» enthielten, die weit über diejenigen hinausgingen, die in der erwähnten Studie gefunden wurden. Keine von ihnen wurde zurückgezogen. Ganz im Gegenteil: Sie seien benutzt worden, um die Linie der Regierung zu unterstützen. Dabei habe man verkündet, dass man «der Wissenschaft vertrauen» müsse. Briggs weiter:
«Schluss damit. Formales Publizieren ist nicht nur nutzlos, es ist geradezu schädlich. Und es besteht auch keine Notwendigkeit dafür. Die Wissenschaft begann mit hochintelligenten Männern, die sich gegenseitig Briefe schrieben und die Kopien herumzeigten. Das war eine gute Praxis. Sie hielt den Lärm auf ein Minimum. Heute ist das formale Publizieren fast ausschliesslich Lärm. Jährlich werden mehr als acht Millionen Arbeiten veröffentlicht und die Zahl steigt und steigt und steigt. Niemand liest sie. Warum sollte man auch? Sie sind fast alle nutzlos. Fast alle existieren, weil – und nur weil – Akademiker veröffentlichen müssen oder untergehen. Wenn wir die formellen Veröffentlichungen abschaffen würden, würde ein Grossteil dieser Persiflage versiegen und unsere besten und klügsten Köpfe könnten sich auf ihre eigene Arbeit konzentrieren, ohne mit ‹Peer-Review›-Anfragen belästigt zu werden. (...)
Zum Teufel mit der akademischen Welt. Uns geht es um die Wissenschaft, um die Suche nach der Wahrheit über die Welt. Die akademische Welt ist nicht mehr die beste Methode, um diese Suche zu betreiben. Die akademische Welt ist heute eher mit dem Journalismus vergleichbar, bei dem es um die Propagierung der Parteilinie geht.»
Briggs kritisiert auch den Druck, den Verlage auf Wissenschaftler ausüben können, da letztere ihr Urheberrecht an einen Verlag abgeben. Ausserdem würden die Wissenschaftler ihre Arbeiten kostenlos an die Zeitschriften weitergeben, welche dann selbst dafür Geld verlangten. Dabei sei zu bedenken, dass die Studien fast alle mit öffentlichen Geldern finanziert wurden. Der Statistiker resümiert:
«Die Veröffentlichung akademischer Zeitschriften ist ein brillant böses System.»
Verlage würden nicht mehr gebraucht, findet Briggs. Er plädiert dafür, Portale wie arXiv und ihresgleichen zu fördern. Wissenschaftler könnten dort schreiben, was sie wollen, ihre Arbeit auf eines der vielen Systeme hochladen, und jeder, der wolle, könne die Arbeiten lesen. Diese Websites erfordern zwar Wartungsgebühren, doch die Kosten sind Briggs zufolge um Grössenordnungen geringer als bei Zeitschriften.
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