Um es klar zu sagen: Das «Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit» (BSW) ist aus meiner Sicht nur eine weitere Partei neben den anderen, schon etablierten im bundesdeutschen Parteiensystem, die am Ende nicht anders funktioniert. Nur weil sie politische Forderungen formuliert, die andere inzwischen aufgegeben haben, stellt sie keine echte Alternative dar.
Das liegt zum einen am politischen System der Bundesrepublik Deutschland, in dem tatsächliche Alternativen nicht vorgesehen sind und gegebenenfalls mit allen offenen und verdeckten Mitteln bekämpft werden. Zum anderen liegt es an den Vorgängen in dieser Partei selbst, von denen bekannt gewordene Details künden.
Diese zeigen, dass es sich nur um einen weiteren elitären Verein handelt, der wenig mit Demokratie zu tun hat, dafür umso mehr mit der vermeintlichen Klugheit seiner Protagonisten. Da wurden Berichten zufolge Weggefährten nicht zum Gründungsparteitag am vergangenen Samstag eingeladen. Wer daran teilnehmen durfte, wurde demnach sorgfältig ausgewählt.
Auch soll der Kreis der ersten Mitglieder sortiert und begrenzt worden sein. Nicht jeder, der mit dem Projekt und dem inhaltlichen Anliegen sympathisiert, durfte Mitglied werden. Der Grund: Damit sollten wohl vermeintliche Wirrköpfe, Selbstdarsteller und Quertreiber ferngehalten und Zustände wie in der Linkspartei, aus der Wagenknecht und Mitstreiter ausgetreten sind, vermieden werden. «Lasst uns pfleglich miteinander umgehen», hat die Namensgeberin auf dem Gründungsparteitag dazu gesagt.
Allein diese Vorgänge zeigen, dass das BSW nichts «Neues» ist, was es aber sein will und soll. Den Gründern scheint es um «ideologische Reinheit» zu gehen. Ist das nun leninistisch, trotzkistisch, stalinistisch oder einfach bürgerlich-diktatorisch?
Es ist auf jeden Fall nicht demokratisch. Und wenn eine Partei sich für mehr Demokratie einsetzen will, ist sie nicht glaubwürdig, wenn sie nach innen schon zu Beginn undemokratisch handelt.
Der Wunsch nach einer inhaltlich klaren Linie ist ja verständlich. Aber das sollte eben inhaltlich durchgesetzt werden. Eine Partei gibt schon per se immer nur einen Ausschnitt der vielfältigen Interessen in der Gesellschaft wieder. Das sollte dann in einem klaren Programm erkennbar sein, dem sich jene anschliessen, die es teilen, und alle anderen eben nicht.
Aber eine Partei, in der die Mitglieder beinahe persönlich ausgesucht werden, in der Posten laut Berichten nach persönlicher Verbindung vergeben werden – was ist denn das? Und was ist daran anders als bei anderen Parteien in der bundesdeutschen Politlandschaft?
Das erinnert mich auch an das, was ich in der DDR als kurzzeitiges Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei (SED) erlebt habe. Bei der durfte auch nicht jeder und jede Mitglied werden, zumindest offiziell. Nach drei Monaten Mitgliedschaft wurde ich dort Ende 1988 als «Parteifeind» ausgeschlossen, weil ich angeblich die falschen Fragen stellte.
Und die von den Medien berichtete hohe Einigkeit auf dem BSW-Gründungsparteitag erinnert ebenso an die DDR und die SED – eben kein Wunder angesichts der ausgewählten Teilnehmerschar. Ich will an der Stelle nicht auf die inhaltlichen Punkte des Programms eingehen. Das sollen und können alle selbst tun, die diese Partei vielleicht demnächst wählen wollen oder das erwägen.
Aus meiner Sicht zeigt sich bei dem Vorgang und auch dem Projekt wieder ein grundsätzliches Problem, wenn es in Deutschland um Politik und Demokratie geht: Immer werden Führungsfiguren gesucht und gewählt, auf die alle Erwartungen abgeladen werden. Sie sollen gestalten, verändern, bewegen – so wünschen es sich jene, die sie wählen. Schon der Name der neuen Partei belegt das.
Erledigen die Auserwählten das gut, werden sie gelobt und wird ihnen gefolgt, wenn nicht, werden sie fallen gelassen. Dabei hat Demokratie ja eigentlich viel mit Selbertun, mit Sich-Einmischen und Einbringen zu tun – und ist mehr als nur irgendwelche Stellvertreter damit zu beauftragen, meine Interessen zu vertreten. Insofern ist das BSW durchaus typisch deutsch.
Demokratie scheint hierzulande in der Realität immer noch ein Fremdwort zu sein, auch wenn es alle benutzen oder davon reden. Davon zeugt eben auch, wie schon erwähnt, das politische System, das wirkliche Alternativen nicht zulässt.
Wenn das BSW auf die Weise, wie es zusammengefunden hat, die Interessen breiter Bevölkerungsschichten vertreten will – und das nicht nur bei Wahlen –, dann ist Vorsicht geboten. Alle, die es wählen wollen, sollten genau hinsehen, wem sie da ihre Stimme geben, und von wem sie ihre Interessen vertreten lassen wollen. Elitäre Vereine, die am Ende nur die eigenen Interessen und die jener vertreten, denen sie sich durch Macht und Geld verbunden fühlen, gibt es genug.
Ich lehne mich auf jeden Fall zurück und beobachte den Vorgang weiter. Soll aber auch hier keiner sagen, er sei vorher nicht gewarnt worden.
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