Die Rolle von Big Tech in der Moderation von Online-Inhalten hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert, insbesondere durch staatliche Eingriffe und gesetzliche Vorgaben. Europäische Staaten erlassen zunehmend Gesetze, die Social-Media-Plattformen dazu zwingen, sogenannte «Hassrede» zu unterbinden und illegale Inhalte zu entfernen.
Ein Artikel in der traditionsreichen Schweizer Zeitschrift Schweizer Monat (vormals Schweizer Monatshefte) beleuchtet die Auswirkungen dieser Gesetze auf die Meinungsfreiheit und die offene demokratische Debatte und untersucht, inwieweit die großen Technologiekonzerne de facto als staatliche Zensurbeauftragte agieren.
Das 2017 in Deutschland eingeführte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verlangt von Social-Media-Plattformen, «offensichtlich rechtswidrige» Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Bei Nichteinhaltung drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro. Dieses Gesetz zielt darauf ab, die Verbreitung von Hassrede und illegalen Inhalten im Internet zu verhindern.
Im Jahr 2022 verabschiedete die EU den Digital Services Act, der Tech-Konzerne verpflichtet, illegale Inhalte zu entfernen und Risiken durch «schädliche Informationen» zu begrenzen. Diese Gesetze erhöhen den Druck auf Plattformen, rigoros gegen vermeintlich illegale Inhalte vorzugehen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Eine Studie des Think Tanks The Future of Free Speech hat die Zensurpraktiken auf Social Media genauer untersucht. Die Autoren analysierten mehrere Tausend gelöschte Kommentare auf Facebook und YouTube aus Deutschland, Frankreich und Schweden. Die Daten stammten von jeweils zehn großen Facebook-Seiten und YouTube-Kanälen, die von Medien und Politikern betrieben werden.
- Von insgesamt rund 1,3 Millionen Kommentaren wurden über 40.000 gelöscht, was einem Anteil von 3,4 Prozent entspricht.
- Die Löschquote variiert erheblich zwischen den Ländern: In Deutschland wurden 11,5 Prozent aller YouTube-Kommentare gelöscht, in Frankreich 7,2 Prozent und in Schweden 4,1 Prozent. Auf Facebook lagen die Anteile zwischen 0,5 Prozent (Schweden) und 1,2 Prozent (Frankreich).
- Über 90 Prozent der gelöschten Kommentare waren vollkommen legal.
- Auch hier gab es große Unterschiede: In Frankreich waren 92,1 Prozent aller gelöschten Facebook-Kommentare gesetzeskonform, in Deutschland lag der Anteil bei 99,7 Prozent. Auf YouTube waren die Werte etwas niedriger.
- Ein kleiner Anteil der gelöschten Kommentare war zwar beleidigend, aber nicht justiziabel. Der weitaus größte Teil umfasste jedoch normale, harmlose Meinungsäußerungen.
Die Studie zeigt, dass die Angst vor staatlichen Sanktionen dazu führt, dass Social-Media-Plattformen in Zweifelsfällen lieber zu viel löschen, als eine Strafe zu riskieren. Dies führt dazu, dass viele legale und harmlose Kommentare entfernt werden, was die Meinungsfreiheit und die offene demokratische Debatte erheblich einschränkt. Die Studienautoren ziehen den vorsichtigen Schluss, dass «zu viele legale Inhalte gelöscht werden, könnte ein größeres Problem sein, als dass zu wenige illegale Inhalte gelöscht werden».
Kommentar von Transition News
Das Anliegen, «Hassrede» zu unterbinden, ist vielleicht gut gemeint. Allerdings sind die Definitionen illegaler Inhalte oft unklar, und die Angst vor staatlichen Sanktionen ist groß. Dies führt dazu, dass Social-Media-Plattformen als de facto staatliche Zensurbeauftragte agieren und dabei die Meinungsfreiheit und die demokratische Debatte untergraben. Es wäre wichtig, ein Gleichgewicht zu finden, das sowohl den Schutz vor Hassrede als auch die Wahrung der Meinungsfreiheit gewährleistet. Das zeichnet sich aber nicht ab. So, wie es heute läuft, wird Hass nicht bekämpft, dafür aber die Meinungsfreiheit und die offene demokratische Debatte. Aber vielleicht ist das das Ziel der ganzen Übung.
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