Das Bundesamt für Polizei (fedpol) arbeitet derzeit an der Einführung einer neuen, biometrischen Identitätskarte (ID) für Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Der Zeitplan ist ambitioniert: Bereits Ende 2026 soll die neue Karte verfügbar sein – ausgestattet mit einem elektronischen Chip, auf dem biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtsmerkmale gespeichert werden. Die Karte soll den Schutz vor Missbrauch erhöhen und die Identitätsprüfung vereinfachen. Doch hinter der technischen Modernisierung verbergen sich politische und gesellschaftliche Dimensionen, die bislang kaum diskutiert werden.
Offiziell wird das Projekt mit mehr Effizienz, moderner Sicherheitstechnologie und internationaler Kompatibilität begründet. Kritikerinnen und Kritiker werfen jedoch ein, dass es sich dabei um vorgeschobene Argumente handelt – insbesondere, da die meisten Sicherheitsprobleme im Zusammenhang mit Identitätsdokumenten an den Grenzen oder durch Datenmissbrauch entstehen, nicht durch gefälschte Ausweise innerhalb der Landesgrenzen. Eine konsequentere Grenzkontrolle oder digitalisierte Visa-Prozesse könnten ähnliche Effekte erzielen, ohne tiefgreifende Auswirkungen auf die Privatsphäre der gesamten Bevölkerung.
Besonders bemerkenswert: Die biometrische ID wird nicht verpflichtend sein – zumindest vorerst. Wer auf biometrische Datenspeicherung verzichten will, kann weiterhin eine konventionelle, nicht biometrische ID beantragen. Diese wird jedoch nur noch innerhalb der Schweiz gültig sein. Internationale Reisen oder grenzüberschreitende Behördengänge erfordern künftig also zwangsläufig die biometrische Variante. Damit entsteht ein indirekter Zwang zur Nutzung der neuen Karte – und eine Zwei-Klassen-ID-Gesellschaft.
Der Schritt erinnert viele Beobachter an die Entwicklungen während der Corona-Pandemie, als digitale Impfzertifikate, Reisebeschränkungen und Zugangskontrollen eingeführt wurden – teilweise unter Zeitdruck und mit unklarem zeitlichen Horizont. Kritische Stimmen sehen in der biometrischen ID daher weniger ein Sicherheitsinstrument, sondern ein weiteres Element einer Infrastruktur, die langfristig auf stärkere Kontrolle und Datenerhebung zielt. In Kombination mit anderen digitalen Identitätslösungen und möglichen zentralen Registern könnte so ein System entstehen, das Bewegungsfreiheit, Zugang zu Dienstleistungen oder sogar Grundrechte an technische Nachweise knüpft.
Die zentrale Frage lautet daher nicht nur, wie sicher die neue Karte ist – sondern auch: Wer kontrolliert die Daten? Wer entscheidet, wie lange diese gespeichert werden? Und was passiert, wenn politische Rahmenbedingungen sich ändern?
Noch sind viele dieser Fragen unbeantwortet. Die öffentliche Debatte ist verhalten, und offizielle Informationen bleiben vage. Währenddessen schreitet die technische Umsetzung voran. Dass biometrische Systeme in einem demokratischen Staat nicht automatisch zu Überwachung führen müssen, ist unbestritten. Aber sie können – je nach politischem Kontext – genau dazu missbraucht werden.
Der Übergang zur biometrischen Identität ist deshalb nicht nur ein technisches Projekt, sondern eine grundsätzliche gesellschaftliche Weichenstellung. Sie sollte nicht ohne breite, offene Diskussion erfolgen – und erst recht nicht unbemerkt.